Pollux und Castor – unterwegs im Aostatal
„Leonaaaaaaardo!“ schallt es über den ganzen Campingplatz. „Leonaaaaaaardo!“ hallt es von den umliegenden Bergen zurück. Wir befinden uns im Aostatal in der Gemeinde Ayas, unweit von Saint-Jaques, dem Ausgangspunkt unsrer Tour. Halbzufällig treffen wir am Campingplatz „Sole & Neve“ von eben jenem berüchtigtem Leonardo auf Harry und Hannes. Wir lernen Hannes kurz kennen und verschwinden relativ schnell im Bett. Nicht, dass Hannes nicht nett wäre, aber wir sind gute 13 Stunden vom Urlaub am Meer in die Berge gefahren und für die nächsten Tage ruhen wir uns besser noch etwas aus.
Der Hüttenzustieg zum Rifugio Guide d’Ayas ist, in Worten beschrieben, ausgesprochen schön und abwechslungsreich, dennoch lang und anstrengend. In Zahlen heißt das knapp 1700hm und 9km, verteilt auf 5,5 Stunden. Wir parken in Saint Jacques und beginnen den Zustieg. Sanft ansteigend, durch einen netten Wald gewinnen wir an Höhe und erreichen schon bald den Lago Blu. Entlang, neben und über Seitenmoränen geht es am Rif. Mezzalama vorbei zum Rf. Guide della Val d’Ayas, unserem Tagesziel.
Der nächste Tag bricht an. Wir verlassen die Hütte eher spät und machen uns auf in Richtung Pollux, dem ersten unserer zwei geplanten Gipfel. Es gibt eigentlich nicht viel zu sagen. Sowohl die Distanz, als auch die Höhenmeter zum Einstieg halten sich in Grenzen und wir erreichen diesen nach einer kleinen Aufwärmrunde über den Gletscher. Nun geht es über den SW-Grat nach oben und wir teilen uns auf. Hannes und Harry steigen über die Firnflanke höher, während wir uns direkt am Grat über Blockgelände höher kämpfen. Nachdem wir uns relativ zeitgleich zu Beginn der technischen Schwierigkeiten treffen, ist es wohl eher vom Geschmack bzw. von den Verhältnissen abhängig, welchen Weg man wählt. Die Schlüsselstelle war bei uns etwas unangenehm. Eine Seilschaft vor uns, welche etwas zu kämpfen hat, Hannes und Harry, wir und drei weitere Seilschaften hinter uns, während sich von oben Leute abseilen. Irgendwie eng und stressig, also zügig durch. Die Kletterei ist eigentlich schön und wäre sicher etwas ruhiger und entspannter, würde es diese Ketten nicht geben, welche den Felsteil spürbar entschärfen. Mit den Kletterschwierigkeiten im Führer kann ich vor diesem Hintergrund wenig anfangen. Ein 3er soll es sein, eine Klettersteigwertung mit “C” würde die Stelle allerdings besser beschreiben. Am Madonnen-Gipfel angekommen wird zum ersten mal wieder der Blick frei. Wir sehen hinüber zum Castor, zum Breithorn und haben nun auch den Gipfel, welchen wir über einen Firngrat erreichen im Blick. Nach ca. 10-15 Minuten schlagen wir oben an. Weil es unangenehm bläst, machen wir uns gleich an den Abstieg und pausieren erst am Einstieg zum Grat. Entschuldigt die komischen Effekte auf den Fotos. Mein Akku hat schlapp gemacht und die Kamera von Harry ist nicht handschuhfreundlich, was die tollen Effekte bedingt hat. Aber besser als nichts. Danke Harry!
Nach der Pause geht es weiter. Kurz absteigend versuchen wir mit so wenig Höhenverlust wie möglich zum Castor zu queren. Zuerst geht es flach und angenehm dahin. Die Flanke steilt sich in den letzten 200hm nochmal deutlich auf. Wir verkürzen das Seil, es wird wieder anstrengender und die lange Anfahrt und der nicht zu unterschätzende Hüttenzustieg fordern etwas Tribut. Während wir noch in der Flanke herumwuseln, sehen wir die anderen Seilschaften bereits am Gipfelgrat aussteigen. Der Lichtblick quasi – gleich ist es geschafft. Das letzte “Hindernis” stellt der Bergschrund und wenige steile Meter im Firn dar. Ein paar Schritte noch konzentrieren, dann steigen wir auf dem Gipfelgrat aus und haben bald auch den Castor in der Tasche. Der Wind wird leider nicht weniger und so machen wir uns gleich an den Abstieg in Richtung Quintino Sella, wo wir uns entscheiden mit Harry und Hannes ins Tal abzusteigen. Eine Entscheidung die den Erinnerungswert der Tour gewaltig steigert! Nach kurzer Pause und zwei Dosen Cola geht es also noch weiter nach unten (Anmerkung: auf eine Intervention der Seilschaftsmitglieder hin verlässt der Autor hier kurz den Schreibstil, streift das vor Allem stehende WIR ab, kniet nieder und gibt ehrlich zu, dass er und nur er dieses schwarze Gebräu des Teufels in den Rachen geschüttet hat). Der Höhenmesser zeigt am Ende des Tages knapp 3250hm im Abstieg. So ähnlich fühlt es sich in den Oberschenkeln an und ihr wisst nun auch was ich mit Erinnerungswert im vorletzten Satz gemeint habe. Bevor wir zu Leonardo fahren, mit einem Bier anstossen und “another night in the camping” verbringen, pfeiffen wir uns noch eine Pizza und etwas Cola rein.
Am nächsten Tag packen wir gemütlich zusammen und rollen das Tal hinaus nach Verres. Ein kleiner Bummel durch die Stadt: Flohmarkt, Espresso, Cappuccino und Cola. Gestärkt treten wir eine kräftezehrende Heimreise an.
4 Kommentare
Hannes
23. August 2016Cooler Bericht, DANKE :)
und ich hab gedacht, ihr findet mich unsympathisch und seid deswegen gleich ins Bett. ;-)
Ciao bis zur nächsten Tour
Hannes
Carsten Becker
23. August 2016geh kaas ;) ja schauma, dass no was geht. bin immer motiviert
Sabrina
23. August 2016Wow – was für Tourentage! Tolle Bilder – und toller Bericht. So ausführlich, sehr cool!
Bis bald, Sabrina
Carsten Becker
23. August 2016ja, habn wir ziemlich gut erwischt würd ich sagen. habts was geplant in nächster zeit?