Franz Adrian Wenzl

Veröffentlicht von am Jul 10, 2012 in Nordalpenweg, Reiseberichte & Reportagen | Ein Kommentar
Franz Adrian Wenzl

Warum nur dieser Titel? Ehrlich, auch ich frag mich das während ich diese Zeilen schreibe. Die Erinnerung an den ersten Tag brachte mich auf diese Überschrift, denn am Ende dieses Tages, also dort wo wir Perchtoldsdorf verließen und des Weiteren quer durch den Wienerwald gehirscht sind, dort haben wir schließlich in der sengenden Hitze eines Tropentages das kleine stille Pilgerörtchen Heiligenkreuz an der Autobahn erreicht. Bevor es für PilgerInnen beschaulich und vielleicht auch besinnlich werden soll, heißt es erst mal die Autobahn zu über- bzw. zu unterqueren. MarienpilgerInnen unter euch wird dieser abscheuliche Abschnitt ein Begriff sein. Euch wird vermutlich ein ähnlich grauer Gedanke hängengeblieben sein zu diesem Stück Niemandsland, durch welchen wir auf Weitwanderwegen ja ohnehin zur Genüge wandern. Aber genau neben der Autobahn? Muss das tatsächlich sein lieber Alpenverein? Ja, denn es lässt sich in Österreich, im Autoland, in der industrialisierten Welt nicht vermeiden. Fußgänger scheinen eine aussterbende Spezies zu sein – am Land und überhaupt.

(c) Gerald Radinger

Weitwandern und Zivilisation bedingen einander und vertragen sich wiederum nicht

Angekommen auf der anderen Seite der Autobahn glitten wir scheinbar mühelos eine Allee entlang Richtung Süden ins Pilgerdomizil Heiligenkreuz. Dort wo der deutsche Papst vor versammelter Menge sein Haupt aus einem Erkerfenster in den Hof hielt, genau dort entstand dieser Gedanke zur Überschrift. Denn der besagte Hof beheimatet ein Wirtshaus, welches vermutlich auch das einzige in diesem Nest zu sein schien. Das Kaufhaus – das hieß wirklich so – war bereits geschlossen und so sahen wir uns gezwungen den langen Marschtag im Wirtshaus ausklingen zu lassen. Warum es hier im Wienerwald Kaufhäuser gibt? Darauf komme ich später noch einmal zu sprechen. Der aus dem oberösterreichischen Waldneukirchen stammende Franz Adrian Wenzl, Musikfreunden besser bekannt als Austrofred, hatte einst ein Gedicht über das Pilgerziel Mariazell verfasst. Nachzulesen im schönen Gedichtband, hier kurz “Bohrmaschine” genannt, der mit Ingo Pertramers Fotos verziert wurde. Das besagte Gedicht handelt von einem Gasthaus in Mariazell, wo es Schnitzel gibt, “S O L C H E   T R Ü M M E R”. Dieser Vierzeiler schoss in mein Hirn, als der Kellner eben genau solche Trümmer an unseren Tisch brachte. So durften wir im rosigen Abendlicht des ersten Tages mitten im Hof, am Nordalpenweg bzw. am Mariazellerweg, dem heiligen Weg diese panierten Trümmer einschneiden. Gerade weil eben das Kaufhaus bereits geschlossen hatte. Ich bedanke mich für diese schönen und in diesem Moment passenden Zeilen, die mir ein schmunzelndes Lächeln ins sonnenverbrannte und geschundene Gesicht zauberten.

(c) Gerald Radinger

…only 23 hrs to Maria Zell

Nachdem wir Wasser- und Geldreserven noch aufgefüllt haben, zogen wir weiter Richtung Mayerling. Geplant war eine Übernachtung am Wegrand, dort wo uns die Dunkelheit dazu zwingen würde. Glühwürmchen spendeten uns Licht, die Gelsen zogen wohlgenährt über unsere verdörrten Körper. Es hatte 27 Grad mitten in der Nacht, als plötzlich ein penetranter Lärm langsam in mein Bewusstsein drang. Ehe ich aus den Tiefen meiner Schlafphase wieder zum bewussten Leben fand, sah ich aus der Zeltöffnung ein schnaubendes Ungeheuer auf der angrenzenden Forststraße stehen – mit Scheinwerfern beleuchtet nach allen Seiten hin. Trunken und verwirrt hüpfte ich im Zelt herum und strampelte, als würde ich mich selbst aus einem Albtraum aufwecken wollen. Schreie, staunen, ein wackelndes Zelt. Das Ungeheuer setze langsam seine Reise fort. Ich schaute aus dem Zelt diesem ungeheuerlich lauten Mähdrescher nach, der wohl nochmals zurückfuhr, um zu sehen wer da frech sein Zelt aufgeschlagen hatte. Erster Tag, erste Nacht von wie vielen? 49. Wehmütig nach all den Abschieden der vergangenen Tag und nach dem allerletzten Abschied in Heiligenkreuz, wo wir uns von unserem ersten Wegbegleiter Uli trennten, war das eine befremdliche Erfahrung.

Dieses hier war ein Beitrag über Gedichte und Kaufhäuser und nicht der erste von 49 Etappenbeiträgen. Nein, keine Etappe wäre in einem Post zu erfassen. Soviel Zeit zu schreiben habe ich nicht. Auch nicht und erst recht nicht dann, wenn das Wetter so fantastisch ist und wir dankbar der zweiten Woche entgegenblicken, hier hoch oben über den Wolken im sanften Abendlicht der blauen Stunde. Dankende Grüße an Uli für die schöne Gesellschaft und die einführende Begleitung in die Wegstrecke des Nordalpenweges. Seid gegrüßt und umarmt.

1 Kommentar

  1. Maxi
    10. Juli 2012

    Panierte Trümmer einschneiden, du alter Lyriker!
    Essen (bzw. futtern) wird weiterhin ein großes Thema sein traue ich mich zu prophezeien! :)

    Gut Fuß, gut Wasser, gut Wetter, gut Weg wünsch ich euch, der gute Rest kommt dann ganz von selbst…

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