Über die Perner/Pfannl (IV) durch die Südwand des Hohen Dirndls (2832m)
Aua! Schon alleine die heiße Tasse Tee in den Händen zu halten schmerzte. Ich hatte mir während der 19 Seillängen durch den Felspanzer auf der Dachstein-Südseite die Finger komplett Wund geklettert. So, dass es einige Tage lang brannte und manche Abschnitt dunkelrot waren. Dass es beim Teetrinken so schmerzhaft werden würde, wusste ich am Freitag davor noch nicht. Da trafen sich Wolfi und ich an einem lauen Herbstabend in einem schönen Gastgarten im zweiten Wiener Gemeindebezirk. Wir brüteten über unsere Wochenendpläne und einem kühlen Bier. Eigentlich hatten wir ein größeres Ziel im Auge – eine Hochtour sollte es noch einmal werden. Doch bei genauerer Betrachtung unserer Zeitressourcen und der konkreten Wetteranalyse stellten wir recht schnell fest, dass es sich nicht ausgehen kann, wenn das Wetter nicht 100%ig passt. Und wir hatten auch keine Lust unnötiges Wetterrisiko einzugehen, um im schlechtesten Fall in einem Winterraum zu versauern. Solche Herbsttage sind nicht geschenkt und deswegen sollte man sie auch nicht so einfach vorrüberziehen lassen. Es fiel uns also recht leicht von unserer Vorstellung loszulassen und eine schöne Kletterei zu suchen. Rasch fiel unsere Aufmerksamkeit auf eine erst kürzlich entdeckte Tour durch die Dachstein Südwand. Eine der eindrucksvollsten Wandfluchten der Ostalpen und eine schöne Linie obendrein? Warum nicht. Auch wir wollten für uns mit dieser Route eine neue Welt erschließen, unsere Grenzen ausloten. Mit 600 vertikalen Metern eine ausdauernde Tour, welche zugleich Orientierungsvermögen von uns abverlangen würde und zum anderen sollte dieser Tag eine Art Probe für schwierigere und eventuell auch längere Routen werden. Nach der Tour durch die Watzmann Ostwand war ich Feuer und Flamme und auch Wolfi zeigte sich schnell begeistert. Für uns beide sollte es eine Premiere werden, sowohl hinstichtlich der Länge der Route als auch der alpinen Herausforderung in dieser hohen Wand. Scharf und fest war der Fels meist durchgehend in der “Perner/Pfannl”. Diese beiden Herren sind vermutlich nie miteinander geklettert, noch sind sie einander begegnet, der Perner und der Pfannl, und doch heißt die Route so. Warum? Der Durchstieg teilt sich auf zwei unterschiedliche Routen auf. Die “Pfannl” benutzt ein markantes rampenartiges System von Bändern und stellt im Grunde den einfachsten Durchstieg durch die Dirndl-Südwand dar. Mit dieser Route wurde am 11. Juni 1899 von Heinrich Pfannl und Thomas Maischberger nicht nur am Dachstein, sondern ganz allgemein – quasi weltweit – Alpingeschichte geschrieben, als Sie diese Wand erstmals durchsteigen. Die zweite Begehung konnte sich bereits 21 Tage danach ein ebenso guter Bergsteiger dieser Epoche, Eduard Pichl, sichern – ebenso die dritte und die vierte (im Abstieg). Es scheint, as wäre Pichl geradezu besessen davon gewesen, dieser Route seine Handschrift bzw. Spur aufzudrücken.
Nun, Heinrich Pfannl gelang es bereits 1896 am höchsten der Gesäuseberge einen Weg durch dessen Nordwestwand (bis IV+) zu finden und am kleinen Buchstein (ebenfalls im Gesäuse) war es Thomas Maischberger. Zwischen 1896 und 1899 gelangen ihm (Maischberger) des weiteren Routen am Großen Buchstein (Südwand 1899, Wesgrat 1898, Buchsteinmauergrat 1896 mit Pfannl). Währenddessen gelang es Pichl ein Jahr nach Pfannls und Maischbergers Erfolg in der Dirndl-Südwand, also 1900, eine heute nach ihm benannten Weg durch die Planspitze-Nordwand zu eröffnen. Und ein Jahr später eine ebenso bedeutende Route durch den östlichen Teil der Dachstein-Südwand (1901), somit die erste Durchsteigung dieser gewaltigen Wand. Nun, um zwischen diesen drei Herren hier einen ehrgeizigen Kampf zu verorten mag dieser Vergleich zwar einige, wenn auch nicht sämtliche Indizien liefern. Denn es gab noch Weitere in diesem illustren Bunde der damaligen und sogenannten Pioniere oder Eroberer, die förmlich um den jungfräulichen Fels zu kämpfen schienen und sie waren größtenteils und so wie auch in diesen drei Fällen Söhne des Großbürgertums in der fernen Bundeshauptstadt Wien. Und sie waren damals im wahrsten Sinne in bester Gesellschaft und teilten sich die Routen, ja sogar die Wände der Ostalpen unter sich auf. Doch ein entscheidener Unterschied mag beim Lesen der historischen Literatur hängenbleiben. Während Pfannl und Maischberger zwischen Hochkönig und Hochschwab Vieles (erst)erstiegen, was Ihnen unter die Finger kam, wurden Sie auch international mit bahnbrechenden Begehungen im Mont-Blanc-Massiv bekannt. Pichl hingegen scheint nur der Erfolg an den vorher erwähnten beiden Wänden geblieben sein – abgesehen von seiner traurigen und bekannten politischen Vergangenheit. Wieder zurück zur “Perner/Pfannl” und zur Aufklärung des Rätsels: Es war im Juli 1928, als ein gewisser Perner und ein Simonlehner eine direkte Route durch die Südwand eröffneten und erst im obersten Drittel auf die Route von Pfannl und Maischerberger stoßen würden und 29 Jahre später ein ähnliches Bild. Bereits wenige Tage später begeht Kurt Maix die Route zum zweiten Mal (bei Umgehung der Hauptschwierigkeiten), danach noch ein drittes Mal. Erst im darauffolgenden Jahr 1929 gelingt es ihm eine schwierigere und eindrucksvollere Route an der Südkante des Dirndls (die sogenannte Maixkante) zu klettern. Allesamt leisteten in Anbetracht der Ausrüstung Unglaubliches und scheinbar wurde förmlich um die Kletterlinien gekämpft. Wenn ich mich heute an die Tour erinnere, dann muss ich behutsam Seillänge um Seillänge im Kopf durchgehen, denn die Erinnerungen verblassen langsam. Doch zurück zum Anfang, als wir Samstag Abend im Auto Richtung Schladming saßen und es plötzlich zu regnen begann. Also damit hatten wir echt nicht gerechnet. Aber als wir gegen elf Uhr abends dann den Parkplatz der Talstation der Hunerkogelbahn erreichen, hat es längst aufgehört und die letzten Nebelfetzen ziehen noch herum. Wir bereiten uns für den nächsten Tag vor, packen unseren Rucksack und trinken noch ein Bier. Sollte es nachts regnen und dieser uns überraschen, stellen wir noch das Zelt auf und ab ins Bett. Wolkenloser Himmel und der Vollmond leuchtet auf die fantastische Wand in der nächtlichen Stille. In Gedanken freue ich mich auf einen guten Tag und versuche noch ein paar Stunden zu schlafen. Bevor der Wecker die Chance hat uns aus dem Schlaf zu rütteln, übernehmen das die Nachbarn, von deren Existenz wir bislang nicht wussten. Doch angesichts der frostigen Morgentemperaturen starten Sie das Auto an und beginnen den Fahrgastraum zu beheizen. Das alles unmittelbar neben unseren Köpfen. Guten Morgen!
Noch ist es finster, doch die Stirnlampe können wir bereits bei Ankunft am Aussichtshorst der Dachsteinsüdwandhütte verstauen. Wir sind später dran als geplant, doch alles noch im Grünen Bereich. Kurz geht es ins Auretskar bergab, dass wir relativ flach nach Norden queren. Wir befinden uns bereits am Zustiegsweg zum Johann-Klettersteig, der zur Dachsteinwartehütte führt. Ein erster Felsabruch muss in leichter Kletterei über eine Rampe (Stahlseile) bewältigt werden und danach steigen wir in unendlichen Serpentinen einen steilen Hang empor. Unser Referenzpunkt, um die Route zu finden, ist eine schwarze Rinne in der Fallline der sogenannten “Drei Türml”. Wir können den schwarzen Fleck bereits ausmachen und steuern darauf geradewegs am linken Rand der darunterliegenden Schuttrinne zu. Zuletzt müssen wir noch etwas heikel besagte Rinne queren. Ein Bohrhaken ist gesichtet und die Querung auf einem Band nach rechts ist auch erkennbar, hier muss es sich um dein Einstieg handeln. Wolfi beginnt unsere Tour und steig souverän vor, ich zittere ein bisschen nach, den ein Teil der bereits zurückgelegten 800 Höhenmeter macht sich bereits unter meinem Hintern bemerkbar und die letzten Meter des Zustieges waren auch unangenehm. Aber das wird schon werden, denke ich mir und steh’ dann auch gleich Mal am Stand. Einen Moment lang denke ich darüber nach vielleicht das Ganze doch abzulasen, klein beizugeben und einfach eine gemütliche Wandertour daraus zu transformieren. Aber das wäre auch irgenwie blöd, ich will ja gerade in eine große Wand. Im Nachhinein sollten wir feststellen, dass wir vermutlich den Einstiegsstand seilfrei überklettert hatten und an einem Zwischenhaken begonnen haben. Nun, meine erste Seillänge verspricht 40 Meter im oberen dritten Schwierigkeitsgrad über “die” Platte leicht querend zu einem Stand (3 Bohrlhaken als Zwischensicherung). Wo ist da eine Platte? Leicht rechts von uns geht eine etwas brüchig wirkende Rinne hoch, schaut auch irgendwie blöd aus. Trotz der geringen Schwierigkeit ist es gut senkrecht und ich bin noch nicht “akklimatisiert”. Ich hänge meine Hoffnungen einer angenehmeren Überwindung des Höhenunterschieds bis zum nächsten Stand an die etwas nach links führende Rampe. Oberhalb mag ich eine Platte erspähen. 10 Meter oberhalb ist ein kleiner Absatz und kurz zuvor muss ich einsehen, dass es in der Wand darüber glatter aussieht als von unten angenommen und die richtige Wahl des Weges über die rechte Variante führt. Eh klar, abklettern und brüchig auch noch. Fast so, als hätte ich das jetzt noch gebraucht, um mich zu gewöhnen. Irgendwie gelingt es mir dann von vorne anzufangen und den Weg über das eigenartig nach unten geschichtete Gestein rechts fortzusetzen. Etwas Erde liegt dazu auch noch herum – ein Friend hilft mir in der mentalen Verarbeitung des gerade erlebten und genug Bohrhaken sind ja auch noch da. Meter um Meter komme ich höher und kann den Stand dann auch zügig finden. Während Wolfi nachsteigt schwirrt mir die Routenbeschreibung jeglicher Literatur durch den Kopf. Überall der gleiche Tenor: Gute Orientierung notwendig, nicht immer einfach zu finden sei der Weg des Perner. Ich denke nochmal über die Alternative Abseilen nach und verwerfe sie auch gleich wieder. Dranbleiben! Außerdem ist Wolfi schon bei mir und ist überaus gut gelaunt, er findet bereit Spaß an der Kletterei. Nächstes Mal klettere ich die erste Seillänge, denke ich mir. Und habe ich schon erwähnt, dass es auch sehr kalt im morgendlichen Schatten ist, vielleicht doch abseilen? Die nächsten Seillänge gehen noch gut grad rauf und in der vierten neigt sich das Gelände allmählich und uns erreichen mittlerweile auch endlich die wärmenden Sonnenstrahlen. Wir finden durchschnittlich nette und abwechslungsreiche Plattenkletterei vor. Wir teilen uns einen Müsliriegel und schieben ihn rasch hinter die Backen. Wir stehen unterhalb eines signifikanten Wandls. Oberhalb erreichen wir in der achten Seillänge eine kleine Scharte, von wo eine kleine Querung beginnt. Am Ende wird unterhalb einer schönen Wasserrillenplatte stand gemacht. Diese schöne Schlüsselpassage liegt in Wolfis Rhythmus. Ich habe mich mittlerweile selbstverständlich gut an die Exponiertheit und an das Klettern gewöhnt. Vielleicht hat die Sonne und Wärme etwas dazu beigetragen, jedenfalls genieße ich die Kletterstellen in vollen Zügen. Das Nachsteigen über die Platte ist herrlich und am Ende darüber erwartet mich bereits ein Schuttkar, darüber Wolfi an einem Haken. Darüber empfangen uns drei sehr schöne Seillängen im vierten Grad – wir kommen rasch voran. Danach erreichen wir das große Band, wo Pfannl und Maischberger einst ihren Weg durch die Wand suchten.
Nun gäbe es die Möglichkeit in leichterem Gehgelände auf dieser Route die Begehung fortzufahren, wir aber haben uns dem Weg verpflichtet und wollen klettern. Wir queren nach rechts bis zu einer markanten Rippe, die uns die nächsten 70 Meter als Orientierung dienen wird. Der Einstieg bzw. Stand links der Rippe ist auch schnell gefunden und es geht mit einer schönen Verschneidungskletterei weiter. 35 Meter im unteren vierten Schwierigkeitsgrad mit zwei Bohrhaken. Warum nur war das im unteren Teil so schwierig und hier ist es reinster Genuss.In der Zwischenzeit kann ich jeden Zug genießen und mich beim Klettern richtig mental entspannen. Einzig körperlich spüre ich langsam Müdigkeit aufkommen. Die kurze Nacht zollt ihren Tribut und seit dem Frühstück habe ich auch nur einen halben Müsliriegel im Buch. Es ist auch schon spät geworden an diesem Nachmittag, zumindest später als erwartet und geplant. Trotzdem liegen wir noch immer gut in der Zeit und das Wetter ist für Mitte Oktober wirklich prächtig und bedenkenlos. Nun, nach den beiden Seillängen wird es wieder etwas unklar, die Rinne rechts von uns will nun überquert werden. Die Möglichkeiten sind zahlreich und es gilt möglichst eine Punktlandung zum nächsten Standhaken zu finden. In einer steinernen Wüste aus grauem Kalk ist das gar nicht so leicht, vor allem dann wenn das Gelände noch leichter wird und sich daher viele mögliche Wege eröffnen. Als ich bei Wolfi am Stand ankomme, grinst mich dieser verschmitzt an: Er hat an einem monströsen Felsköpfl einen soliden Stand gebaut. Etwas das wir an diesem Tag zu perfektionieren begannen: solide Sicherungen anzubringen und Stände zu bauen. Nicht, dass keine da gewesen wären, aber die nicht ganz einfach Wegfindung – das gewählten Worte der Tourenbeschreibung lehrten uns ihre Bedeutsamkeit. Bis ich bei Wolfgang schließlich ankam, hat er etwas oberhalb auf einem weiteren Köpfl einen Normalhaken erspäht und vermutete dort den eigentlichen Stand. Auch wenn es nicht ganz gepasst hätte, denn bisher waren immer Bohrhaken an den Ständen. Aber möglich wäre es ja und außerdem mündet unser Weg hier vermutlich auch irgendwo wieder in die Pfannl/Maischberger ein. Wir sehen bereits die Rinne und jenseits das breite und von Schotter bedeckte schräge Band, dem wir weiter folgen müssen. Also, wie legen wir es an. Nach kurzem Gedankenaustausch entschließen wir uns, dass ich die nächsten zehn Meter zum Normalhaken vorsteige. Dort versprechen wir und außerdem einen noch besseren Überblick über die Rinne. Gesagt getan und nach kurzer Kletterei und langem Seilhandling stehen wir beide auf dem Köpfl. Aber irgendwie schaut das Ganze von hier oben auch nicht besser aus. Wolfi entscheidet sich wieder ab- statt aufzusteigen und ein kleines Band zehn Meter unter uns anzuvisieren. Die Rinne lässt sich dort recht einfach überqueren, das Band ist auch gutmütig und plötzlich schreit mir Wolfi das erlösende Wort herüber: “Stand!”. In diesen Stunden des Kletterns, Orientierens und Wegsuchens hatten wir uns bereits angewöhnt lautstark dem Sichernden davon in Kenntnis zusetzen, wenn einer den Stand gesichtet hat und wiederum den Vorsteiger dafür kräftig von unten zu feiern. Zumindest von meiner Seite her kann ich diese Selbstbeobachtung unterschreiben.
Wie gesagt, Wolfi hat quasi gerade eine Nadel im Heuhaufen gefunden und ich habe ihm von Weitem dazu gratuliert. Dieser und der darauf folgende Abschnitt ist in den Topos als Gehgelände vermerkt, ist ob des brüchigen und schottrigen Untergrundes aber doch nicht so fein als gedacht. Also entschließe ich mich am Seil weiter zu gehen. Den Ausstiegskamin kann ich bereits ausmachen, doch den darunter liegenden Stand nicht gleich. Vergeblich suche ich mehrer Minuten – weiter rechts und noch weiter rechts und irgendwann sehe ich 15 Meter ober mir den im Sonnenlicht blinkenden Haken. Die sechzig Meter des Seiles werde ich komplett aufbrauchen, als ich den Schrei nach unten setze: “Stand!”. Ab jetzt geht es easy, denke ich mir. Nur mehr zwei Seillängen bis zum Ausstieg, klar hinsichtlich des Weges (ein Kamin) und endlich bald oben. Immerhin ist es schon ca. 16 Uhr, wir sind bereits um die sieben Stunden in der Wand. Eigentlich unglaublich, wenn man bedenkt, dass wir quasi keine Pause gemacht und uns nie grob verkoffert haben. Einzig das viele Schauen wo der Weg langführen könnte, das Entscheiden wohin man schließlich geht, das Klettern und Seilhandling haben uns mehr Zeit gekostet als in den Führern veranschlagt. Einen Riegel teilen wir noch am Stand, daneben schaue ich ins Handy wann die letzte Dachsteinbahn die letzte Talfahrt bestreiten wird. Wir haben bislang damit spekuliert, dass wir noch über den Westgrat auf den Gipfel des Dirndl gehen und dann nach Osten auf den Gletscher abseilen. Nicht nur, dass es schon später Nachmittag ist, es freut uns auch nicht mehr sonderlich und die letzte Bahn geht um knapp nach 17 Uhr. Wir entschließen uns, es bis zur letzten Talfahrt zu probieren. Wolfi geht den Weg souverän weiter und er macht am Beginn des Kamins Stand. Ich folge ihm rasch und beginne auch gleich meine und damit die letzte von insgesamt 19 Seillängen. An der Schlüsselstelle muss noch ein Klemmblock überklettert werden, alles in allem aber genussreich und am Ende erreiche ich eine kleine Scharte und jenseitig liegt der Gletscher ca. 60 Meter unter mir. Ich finde auch sofort zwei von vielen Bohrhaken, um dort Stand zu machen und rufe Wolfi. Er hat ordentlich Speed drauf, uns bleibt noch eine halbe Stunde. Ich komme mit dem Seileinziehen fast nicht nach und schon höre ich durch den Wind, sein lautes Schnaufen und die Karabiner an seinem Gurt scheppern. Auch er ist nun da und ist von der Aussicht begeistert. Unglaublich, wir sind so weit hochgeklettert und nun liegt der östlichste Gletscher der Alpen zu unseren Füßen, es ist kalt und der Schnee beginnt zu frieren. Wir wechseln die Schuhe und zeihen das heillos verkrangelte Seil durch. Es ist schnell nach unten geworfen, noch 20 Minuten. Das kann sich noch ausgehen. Wolfi seilt als erster ab, ich als zweiter und bin um Punkt 5 Uhr am Gletscher. Ich ziehe ab, Wolfi hilft mir dabei und er legt sein Seil zusammen, ich meines. Er startet bereits und beginnt auf der Schneemoräne abwärts zur Ratracspur hin zu laufen. Es geht gut, doch auf der Ratracspur geht es gleich noch leichter, aber der Weg ist weiter als gedacht und zuletzt geben wir uns doch geschlagen und versäumen die letzte Gondel um 7 Minuten. Es hat nicht gereicht. Etwas enttäuscht stehen wir vor der verschlossenen Zugangstür im inneren der Bergstation, warten noch etwas hoffnungsvoll gemeinsam mit einem Langläufer des spanischen Nationalteams. Er gibt bald auf und geht zu Fuß hinunter, wir entschließen erstmal ausgiebig zu Jausnen. Und wie wir durch das Fenster auf unsere Linie durch die Südwand und den Dachstein schauen, uns freuen, den Hunger und Durst stillen, kommt ein Mitarbeiter der Seilbahn vorbei. Wolfi packt die Chance beim Schopf und geht durch die Glastür und fragt, ob es noch möglich ist, runter zu kommen. Mit einem breiten Grinsen kommt er zurück – aufgrund des schönen Wetters gibt es noch eine Versorgungsfahrt und ausnahmsweise dürfen wir mit.