Trolltunga – ein norwegischer Klassiker
Es ist Sommer in Norwegen, das heißt angenehme 20 °C, lange Tage und die Vegetation zeigt sich in ihrer Höchstform. Touren im fjell (norwegisch Berg), vidda (Bergplateau) oder am breen (Gletscher) bieten sich nun besonders an. Für uns geht es zu einem der beliebtesten Anziehungspunkte für Touristen und auch Norweger selber, zur Trolltunga in der Nähe des Hardangerfjords süd-östlich von Bergen. Diese Zunge des Trolls ist ein herausragender Felsblock über einem Stausee, den man nach gut 5 Stunden wandern erreichen kann.
Um dort hin zu kommen, peilen wir zuerst den wohl uncharmantesten Ort Norwegens an: Odda. Eine Industriestadt mit Schloten, Rauchschwaden und Betonblocks die alle der Düngemittelproduktion dienen und an einem Seitenarm des sonst so beschaulichen Hardangerfjords liegt. Von dort aus legen wir die ersten 400 Höhenmeter Richtung Tyssedal mit dem Auto zurück, auf einer Straße, die wegen ihrer Schmalheit und den vielen Kehren kleinen Autos wie unserem zu Gute kommt. Dort oben gehts, wie so oft in Norwegen, bei den Preisen an die Schmerzgrenze, diesmal satte 200 Kronen für 24 Stunden parken, das entspricht etwa 24 Euro.
Wir starten spät am Abend zur Trolltunga, um zumindest die Hochebene zu erreichen und dort das Zelt aufzuschlagen und am nächsten Tag die restlichen der rund 11 km und 1000 Höhenmeter zurückzulegen. Gleich in den ersten 1.5 km gehts steil 400 hm rauf und wir kommen mit unserem Gepäck ordentlich ins Schwitzen (Höhenprofil, Karte hier). An Stehenbleiben und Ausrasten ist aber wegen der Gelsen nicht zu denken und erst als wir das Plateau mit jeder Menge Schneefelder erreichen, lassen sie uns in Ruhe und wir stellen unser Zelt auf. Da die Sonne erst um 23.00 untergeht, können wir uns noch die herrliche Abendstimmung über dem drittgrößtem Gletscher Norwegens, dem Folgefonna, genießen.
Nach einem ausgiebigem Frühstück und dem Verstecken vom unserem Zelt und Schlafsäcken starten wir mit leichtem Gepäck am nächsten Morgen. Der Weg zur Trolltunga ist sehr gut markiert und geht leicht bergauf- bergab über Wiesen, Schneefelder und Steinblöcke.
Immer wieder kommt man an kleinen Wasserläufen vorbei, was es unnötig macht, große Wassermengen mitzuschleppen. Der gemeine Norweger zieht es überhaupt vor, nur ein Häferl zu bringen und damit bei Gelegenheit von Bächen zu trinken. Vorsicht ist allerdings geboten, wenn sehr viele tote Lemminge herumliegen, dann kann es sein, dass das Wasser verunreinigt ist. Wir entdecken aber keine dieser kleinen Tiere und haben auch keine Probleme nachdem wir das Wasser getrunken haben.
Die Tour ist bestimmt keine einsame Wanderung, wie ich sie sonst aus Norwegen kenne, aber die Landschaft ist wunderschön und es ist verständlich, dass sie viele Leute anzieht.
Unter uns taucht bald Ringdalsvatnet auf, ein Stausee mit tief blauem und smaragdgrünem Wasser umgeben von steilen Felswänden. In weiter Ferne können wir nun auch schon das Ziel erkennen, aber die gut gemeinten Schilder, die uns immer wieder über den Kilometerstand informieren, offenbaren, dass es doch noch einiges and Distanz vor uns liegt. Das letzte Stück geht dann aber schneller als gedacht und wir peilen zielstrebig auf die Trolltunga zu, die wir wirklich erst im letzten Moment in ihrer vollen Pracht sehen. Nicht nur der Anblick der Trolltunga überaschen mich, auch die 3 malaysische Frauen mit Kopftuch die darauf sitzen begeistern mich, immerhin sind Frauen mit Kopftuch im Outdoorbereich doch eher selten. Auch wenn wir noch relativ früh dran sind, ist schon viel los auf der Trolltunga, und jeder versucht einen Erinnerungsfoto vor dieser unglaublichen Kulisse zu machen.
Zugegeben, es kostet ein bisschen Überwindung, auf die Trolltunga zu gehen, aber ist dann weniger schlimm, als es auf den Fotos ausschaut.
Ein paar Meter unter der Trolltunga entdecken wir dann die Überreste von einem Tier und wir spekulieren wild darüber, welches es denn sein könnte und wie es wohl zu dem Unglück kommen konnte. Da es keine Gemsen oder Steinböcke in Norwegen gibt, tappen wir im Dunkeln, mittlerweile denke ich, dass es sich um einen “jerv”, einen Vielfraß handeln könnte.
Nach einer ausgiebigen Pause machen wir uns zum Rückweg auf, nochmal 11 km retour, und ja, die ziehen sich dann ziemlich!
Wir finden unsere Campingausrüstung wieder und beenden die Wanderung bei stetig weniger werdener Motivation doch noch ganz tapfer und sind schließlich froh, wieder beim Auto anzugelangen und die Bergschuhe loszuwerden! Uns bleibt auch noch Zeit für einen Sprung ins kalte Nass bevor wir uns aufmachen weiter Richtung Haukelifjell für die nächste Tour.
Takk for turen!
2 Kommentare
Svenja
9. März 2017Hallo! :-)
Liest sich sehr spannend. Würde ich dieses Jahr auch gerne machen. Aber muss man die 11km über Nacht fortsetzen, kann man das nicht an einem Tag schaffen? Oder ist das wirklich so viel? Ich meine, wenn die Tage da eh länger sind.
Viele Grüße,
Svenja
Bernadette Pree
9. März 2017Hei Svenja!
Die meisten machen die Tour in einem Tag, bei guter Kondition und guten Bedingungen ist das kein Problem. Viele Touristen sind vom Fotomotiv magisch angezogen und unterschätzen die 22km und 1000hm. In Norwegen gab es heuer sogar eine Fernsehdoku über die Einsätze vom Roten Kreuz dort, das bis zu zweimal täglich ausrücken musste, weil Touristen die Strecke unterschätzten. Hier ein link: https://www.nrk.no/hordaland/her-er-alle-rode-kors-sine-oppdrag-til-trolltunga-i-2016-1.13120573
Ich glaube, wenn du dir bewusst bist, dass es kein Spaziergang, sondern eine ordentliche Wanderung ist, dann wirst du eine super Tour haben!
Lg, Bernadette