So nah und doch so fern ist der Seckauer Zinken (2397m)

Veröffentlicht von am Feb 21, 2014 in Seckauer Tauern, Skitouren | Keine Kommentare
So nah und doch so fern ist der Seckauer Zinken (2397m)

Viel wird gejammert. Über den Klimawandel, die Finanzkrise, die Hypo, die Regierung, die steigenden Lebenserhaltungskosten und über die Mahü. Nichts davon bildet eine so beständige Ursache anständiger Klage wie das Wetter, einen Katalysator so manch persönlichem Unbehagens wie das Wetter und eine selbstverständlich gewordene Möglichkeit die Verantwortung für den eigenen Gemütszustand auf etwas abzuwälzen, wie – richtig erraten – das Wetter. Geduldig erträgt es unser gen Himmel gerichtetes Gezeter, stoisch transportiert es Kaltfronten aus Nordwesten oder sengende Hitze aus der Sahara. Unsere Hassliebe zum Wetter hörte vielleicht und Langezeit genau deswegen auf den ulkigen Namen Quaxi. Ganz besonders tritt unsere Hassliebe dann zum Vorschein, wenn sie auf die Interessen ungeduldiger Skitourengeher in der heurigen Saison trifft. Mit etwas Kreativität und Weitblick – so meinen wir – ist es möglich auch in dieser Saison irgendwo zwischen Wechsel und Gesäuse, zwischen grünen Matten und Latschenfeldern, vernünftigen Schnee für Touren zu finden. Und wenn ich von Skitouren in diesem Winter spreche, dann verkümmert im eigenen Sprachgebrauch das Wort Pulver zusehends. Verstehen Sie mich richtig: Wenn einmal der Belag meiner Skier sanft und wärmend vom Bügeleisen gestreichelt wurde und die scharfe Feile meinen Steigeisen neuen Glanz verlieh, dann ist Ungeduld eine Konstante und Grant nimmt am Sozius Platz. Ganz so einfach ist das nicht mit der Kreativität. Überlässt man aber das Jammern sich selbst und betrachtet das Wetter und den Winter als jenen, welcher er sich aktuell zu gebärden bereit ist und nicht als welchen wir ihn vielleicht von unserer Kindheit her zu kennen vermeinen und welchen wir uns wünschen, so weicht der Kummer einer seltsam ungewohnten Art von Begeisterung für die vorherrschenden Verhältnisse. Daraus resultiert Tatendrang und ich meine damit nicht jenen, etwas am Wetter ändern zu wollen. Mir zumindest wurde soviel Selbstvertrauen nicht in die Wiege gelegt.

(c) Gerald Radinger

Hochwinterliche Gefühle.

(c) Gerald Radinger

Diese Herren begegnen uns öfter im Gebirge.

(c) Gerald Radinger

Contenance bewahren.

(c) Carsten Becker

Weite ist hier Programm.

Frühjahrsverhältnisse im Jänner? Na und, alleine waren wir in der Vestenkogel-Ostflanke. Darauf folgte noch eine Exkursion in die vielbeschriebenen Haller Mauern. Letztes Wochenende entschlossen wir uns kurzerhand unsere eigenen Grenzen zu überwinden, die mentale Karte der Ostalpen um eine weitere Region zu erschließen und uns auf die Suche nach Winter zu machen. Nach Schnee, nach Sonne und nach einem kleinen Abenteuer. Der Weg erschien uns vor allem im Kopf weit und bei der Lektüre der Tourenführer verwandelten sich die Begriffe “Seckauer Zinken” und “Knittelfeld” in unereichbar scheinende Departments und ferne Oblaste. Frein, Niederalpl, Kaltenbachgraben, Brunnalm und wie sich die Tourenmekkas der Großstadtalpinisten noch nennen, mögen uns wahrlich näher liegen. Etwas über den Tellerrand hinaus gedacht warten fantastische Touren darauf, entdeckt zu werden. Ganz ohne die überlaufenen Hotspots Johnsbach, Zirbitzkogel oder Dachstein frequentieren zu müssen. “Gemma auf an Grasberg, Casi?”, “I kenn mi dort ned aus”, “Guat, I a nu net!”

(c) Gerald Radinger

Niedere Tauern – gar nicht so niedrig.

(c) Gerald Radinger

Grasberge über Grasberge

Etwas aufwändiger als sonst mag sich die Lektüre und Recherche gestalten, das Karten- und Routenstudium wird intensiviert und die örtlichen Gegebenheiten noch genauer als sonst erfasst – ich finde das aufregend. Die im Vorhinein als mühsam und lange gedachte Anreise entpuppt sich, ob der seit langem nicht gesehen oder für uns neuen Berggestalten entlang der Reiseroute, als äußerst kurzweilig und noch bevor die lästige empfundene und stumpfsinnig erscheindene Autobahnanfahrtsroutine eintreten kann, biegen wir bereits ab und betreten weißes Neuland. Gleich ein halbes Dutzend ausladende Bergdome ragen in den tiefblauen Himmel. Wären die Häuser nicht im Bild und die Gewissheit nicht da, dass wir uns im oberen Murtal befinden, wir würden auf ein exotisches Bergziel unserer Träume blicken, wie ein Miniknabe auf den Spind David Alaba’s.

(c) Carsten Becker

Kleiner und Großer Ringkogel mit Pletzen.

(c) Gerald Radinger

On the edge…

Einmal angekommen beginnt die übliche Routine. Beim Aufstieg immer wieder ein Blick auf die Karte – eh klar und in Abstimmung mit dem Gelände geht es rasch bergwärts. Zugegeben: Die Spuren helfen uns auch. Was mental so weit weg schien ist also gar nicht so weit. Einzig der Zustieg zum Zinken fühlt sich ungleich länger an. Nun haben wir die Baumgrenze erreicht und die Südrinne ist zu sehen – fantastisch: unsere geplante Abfahrtsroute, sollten es die Verhältnisse erlauben. Wir steigen die Flanke höher auf den flacheren Gipfelrücken und das Panorama entzückt uns unklare Laute, die wir uns abwechselnd zujohlen. “Wahnsinn, das dort hinten, das müssen die Karawanken sein. Und das die Ankogelgruppe!” Auffällig anders neben der Rundsicht ist das Gelände: Es ist wesentlich flacher als an den Bergfestungen der Nördlichen Kalkalpen, no na und das wird nun auch schön langsam spürbar, die zu überwindende Distanz.

(c) Gerald Radinger

Steife Brise.

(c) Gerald Radinger

Am unteren Ende der Südrinne.

(c) Carsten Becker

Super war’s.

(c) Gerald Radinger

Der Blick retour.

Zum Gipfelkreuz hin frischt es langsam auf: “Wer hat hier den Föhn auf Orkanstärke eingestellt?” Rasches Handeln ist gefragt. Nachdem wir unsere Felle gutgläubig “zusammenlegen”, können wir unsere Hardshells bei Windkanalbedingungen testen. Es folgt die Abfahrt: So muss sich kiten anfühlen – die Speed-Skifahrer fallen mir ein, jene, die sich mit besonders schnell ausschauenden Helmen pfeilgerade einen Hang hinunter stürzen. Unser Stil liegt irgendwo dazwischen. Erst bei der Einfahrt zur Rinne, dort wo es steiler wird, legt sich die molekulare Aufregung etwas und wir können eine Konversation beginnen. Es sieht gut aus, Temperatur und Windrichtung sind auf unserer Seite. Wir entscheiden uns die Südrinne zu befahren, einer nach dem anderen versteht sich (von selbst). Wer hätte gedacht, dass ingesamt 800 Höhenmeter im baumfreien Gelände abzufahren wirklich so schnell vergehen können. Die Verhältnisse waren optimal, um nicht zu sagen genial. Schwärmend von dieser Abfahrt an diesem Berg, schlängeln wir uns über die Forststraßen und Wege zurück zum Auto. Die letzten Meter – bereits zu Fuß unterwegs – schmieden wir die nächsten Pläne. Wir wollen uns wieder auf die Suche machen – nach den weißen Flecken auf unserer Landkarte.

(c) Gerald Radinger

Weiße Berge, Schwarze Menschen betitelte Fritz Moravec sein Buch über den Ruwenzori – Wir fanden das in der Steiermark.

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