O’zapft is – der höchste Biergarten Deutschlands, die Zugspitze (2962m)
Im Rahmen meines Projektes der europäischen Landeshöhepunkte sollte nach dem Rysy in Polen, und einer nicht erfolgreichen Tour in Liechtenstein, der zweite Berg der ungeplanten Liste folgen. Ich spreche von der Zugspitze in Deutschland. Traumwetter, eine unglaubliche Fernsicht und noch dazu Wochenende: eine Mischung, welche die Tour nicht unbedingt zu einer Einsamen machte.
Die Reise starten ich und meine Begleiterin Heidi an einem warmen Freitag Abend in Wiener Neustadt. Unsere Endstation heißt Ehrwald in Tirol, welche wir mit Umstiegen in Bruck/Mur, Innsbruck und Garmisch-Partenkirchen um halb 9 Uhr Vormittag erreichen. Ausgeschlafen kann man unseren Geisteszustand nicht bezeichnen, es gibt jedoch kein Zurück mehr – heroisch formuliert.
Als Aufstiegsweg zur Zugspitze haben wir uns für den Stopselzieherweg (Klettersteigschwierigkeit A/B) entschieden. Dieser ist rein von der Weglänge und auch wegen der Haltestellensituation für uns der Sinnvollste. Ab der Zugstation Ehrwald spüren wir die ersten Meter Asphalt unter unseren Füßen, ehe wir endlich den Steilhängen näher kommen. Der Weg verläuft etwas unspektakulär und sehr ruhig die Skipisten hinauf, dann kämpfen wir uns durch ein Latschenfeld und queren einen Geröllhang. An diesem Hang treffen wir auf den von Westen kommenden Aufstiegsweg der Zugspitzbahn-Talstation. Spätestens ab jetzt fühlen wir uns nicht mehr so einsam.
In Serpentinen geht es bergauf zu einem kleinen Klettergarten mit ausgesprochen interessanten Routennamen.
Stetig nach oben wandernd erreichen uns die wärmenden Sonnenstrahlen und das lange Shirt verschwindet endgültig im Rucksack. Während sich der Eibsee in seiner ganzen Pracht präsentiert, schweben über uns surrend die Gondeln der Tiroler Zugspitzbahn hinweg.
Ein traumhafter Ausblick in die Ammergauer Alpen begleitet uns auf dem schmalen Weg und wir erreichen pünktlich zur Mittagszeit die Wiener Neustädter Hütte. Am Vorabend noch in Wiener Neustadt und jetzt bei der namensgleichen Hütte, Sachen gibt’s. Dort widmen wir uns an der angrenzenden Picknickwiese einer ausgiebigen Brotzeit. Während wir uns mit Kalorien füllen und von der Sonne braten lassen, beobachten Heidi und ich die Punkte an der Wand gegenüber, welche sich langsam nach oben bewegen. Viel Verkehr im Stopselzieherweg, die Bergstation der Tiroler Zugspitzbahn ist schon gut erkennbar und scheinbar zum Greifen nah.
Bevor uns die Müdigkeit auf der Picknickwiese überkommt, alle Voraussetzungen für einen Mittagschlaf waren gegeben, raffen wir uns auf, ziehen unsere Klettersteig-Ausrüstung an und machen uns über das Österreichische Schneekar auf den Weg zum Einstieg des Stopselziehers. Die Sonne bescheint nun den kompletten Hang, die Schneefelder sind mittlerweile wieder fast alle weggeschmolzen. Eine Woche zuvor lag ein halber Meter Schnee auf der Zugspitze.
Spektakulär ist der Beginn des Steiges. Man durchquert ein schmales Höhlenstück, etwas steil und ziemlich rutschig; es sollte jedoch meine einzige Sicherungsnotwendigkeit bleiben. Der Steig ist sehr gut gesichert, fast schon zu gut. Ausweich- und Überholmanöver gestalten sich auch unschwierig. Man findet fast immer einen guten Standplatz, auch um die Kamera rauszuholen oder den Wasserverlust wieder etwas zu reduzieren. Wir überholen zwei Männer ohne Ausrüstung, von der Statur her sind die Zwei zu Vergleichen mit Stan Laurel und Oliver Hardy. Stan ist geübt, Oliver aber keucht und schwitzt sich die Seele aus dem Leib und wirkt dem Exitus nahe. Wenn sie nicht umgedreht haben, dürften sie wohl heute noch unterwegs sein.
Absteigende Menschen warnen uns vor einer “orschglottn Eisplottn” im oberen Teil und weisen auf eine kleine biologische Tretmine hin, da hatte wohl im wahrsten Sinn jemand die Hosen zu voll.
Nachdem uns eine Markierung des Nordalpenweges entgegenleuchtet und wir endlich oben am Kamm angekommen sind, werden wir mit einem Blick in eine unvorstellbare Ferne belohnt. Wir erkennen das Who is Who der Ostalpen mit freiem Auge: Olperer, Wildspitze, Ortler und Piz Bernina. Etwas getrübt wird die Aussicht als wir hinab auf die bayerische Seite der Zugspitze blicken. Hier ist man nämlich eifrig an den Baustellen beschäftigt, um in einigen Wochen für den Wintertourismus gerüstet zu sein. Der angrenzende Nördliche Schneekarferner erinnert auch nur mehr ferner an einen Ferner. Jedenfalls zum Schlitten fahren Anfang September ist er gut genug.
Vor uns präsentiert sich das Münchner Haus nun in voller Pracht. Es dauert jedoch noch etwas, bis wir die Terrasse des höchsten Biergarten Deutschlands erreichen, nach den vielen Höhenmetern “zaht” sich das letzte Teilstück doch noch etwas.
Endlich oben angekommen schlendern wir ohne Umwege in Richtung Gipfelkreuz. Wie nicht anders zu erwarten staut es sich, an die 30-40 Personen sind gierig auf ein Foto neben dem Gipfelkreuz. Wir stehen etwa 10m unterhalb und schießen dort unser Gipfelfoto. Ein Foto neben dem Kreuz itself wird sicher mal fallen, der Jubiläumsgrat hat’s mir angetan.
Wenn wir schon nicht neben dem Kreuz stehen, so stehen wir wenigstens unter Zeitdruck. Um 19:40 Uhr soll der letzte Zug den Bahnhof Ehrwald verlassen, wir benötigten für den Aufstieg aber mehr Zeit als gedacht, außerdem werden gerade die letzen Bier ausgeschenkt, es ist kurz nach 16 Uhr. An den Rückweg zu Fuß ist nicht zu denken und wir entscheiden uns, die 25 Euro für ein Seilbahnticket hinzublättern. Nach kurzer Orientierungsphase finden wir in dem Megakomplex auch die Abfahrtshalle. Ich vermute, dass sich hier im Gebäude mehr Menschen verirren als am Berg.
Um die 100 Personen passen ohne Gedränge in eine Gondel, drei Minuten und ein Apres-Ski-Lied später erreichen wir die Talstation der Tiroler Zugspitzbahn. Von hier geht es auf gemütlichen Wanderwegen zurück nach Ehrwald. Nach einer kühlen Erfrischung in Form eines Bieres sitzen wir schon wieder im Zug nach Garmisch und erreichen am Abend Innsbruck. In der Inn-Metropole treffen wir Bekannte und feiern unseren Erfolg bis spät in die Nacht hinein, die Heimreise erfolgt nach einem Badetag an der Brandenberger Ache erst am nächsten Tag, ebenfalls wieder mit dem Zug und – zum Glück für unsere Mitreisenden – eiskalt und frisch gewaschen.
Die Zugspitze wäre also geschafft, fast. Anreise mit der Bahn, Abreise mit der Bahn, wenige Meter vom Gipfelkreuz entfernt, Abstieg mit der Gondel. So umweltfreundlich als an diesem Tag für uns möglich war. Ich habe jedoch noch nie einen so extrem verbauten Gipfel gesehen. Drei Seilbahnen verfrachten die Menschen auf die höchsten verlegten Terrassenplatten Deutschlands und man sollte nicht außer Augen lassen, dass dieser Berg fast 3000m hoch ist. Der Aufstieg über den Stopselzieher macht richtig Spaß, wer Einsamkeit sucht ist an der Zugspitze aber falsch. Trotzdem werde ich wohl wieder kommen, hach…dieser Jubiläumsgrat geht mir nicht mehr aus dem Kopf.
Die Tour wurde im September 2012 begangen. Mit dabei hatten wir die AV Karte 4/2 Wetterstein- und Mieminger Gebirge, Mitte und die freytag & berndt WK 322; die Karten sind ideal und vollkommen ausreichend. Noch dazu gibt es wohl keinen deutschsprachigen Kartenhersteller, der keine Zugspitz-Karte im Angebot hat. Karten gibt es also genug, ebenso haben alle bekannten Bergverlage Wanderführer zur Zugspitzregion in ihrem Sortiment. Der Stopselzieherweg findet sich auch in Klettersteigführern wieder, Material ist also genug vorhanden.