„Jetzt folgt nur noch die Kür“

Veröffentlicht von am Mai 7, 2010 in Interviews | Ein Kommentar
„Jetzt folgt nur noch die Kür“

Das aktuelle Projekt des Südtiroler Bergsteigers und Alpinisten Hans Kammerlander ist die Besteigung der Second Seven Summits, also der jeweils zweithöchsten Berge eines Kontinents. Fehlende Infrastruktur und anspruchsvolle Normalwege bedingen, dass an diesen Bergen weniger Rummel herrscht, als an den höchsten und berühmten Gipfelzielen aller Kontinente. Nach vier Anläufen konnte Kammerlander 2001 den K2 im Karakorum und somit den zweithöchsten Berges Asiens besteigen. Ojos del Salado in Südamerika und Mount Kenia in Afrika konnten erst letztes Jahr erfolgreich bestiegen werden. Am Mount Logan vereitelte eine riesige Gletscherspalte den Erfolg, weswegen Kammerlander Mitte Mai erneut in Richtung Kanada aufbricht, um die Besteigung zu versuchen. Somit fehlen dem 54-jährigen noch die zweithöchsten Punkte Europas, Australiens, Nordamerikas und der Antarktis.

Am International Mountain Summit 2009 in Brixen habe ich Hans Kammerlander getroffen und warum er sich nun die zweithöchsten Berge der Welt vornimmt, hat er mir in einem interessanten Gespräch erklärt.

Hochtourist: Lieber Hans Kammerlander, einer bekannten Bergzeitschrift haben Sie gesagt, dass Sie nicht unbedingt ein großer Freund von Symposien sind. Was hat Sie dennoch bewegt, hierher nach Brixen auf den IMS zu kommen?

Hans Kammerlander: Tatsächlich meinte ich, dass ich bei solchen Veranstaltungen die Gefahr sehe, dass es nicht um den Alpinismus als solches geht. Mir ist wichtig, dass sich der Alpinismus nicht negativ verändert. Ich bin gekommen, damit hier der junge Bergsteiger die Möglichkeit hat, sich mit der älteren Generation auszutauschen – im Gespräch etwas von Ihnen zu lernen.

Der IMS versucht das „Erlebnis Berg“ einem breiteren Publikum näher zu bringen, indem auch bewusst andere Lebensentwürfe vorgestellt werden. Auch Sie stehen Rede und Antwort über Ihr aktuelles Projekt, der Besteigung der „Second Seven Summits“. Warum geht ein Hans Kammerlander „nur“ auf die zweithöchsten Berge der Welt?

Hans Kammerlander: Ich war Jahrzehnte an den großen Bergen der Welt unterwegs und jetzt ist es Zeit den Rest der Welt kennen zu lernen, denn in erster Linien gehe ich für mich in die Berge und ich freue mich schon auf das Erforschen anderer Länder und Kulturen. Dazu kommt noch, dass mich die klassischen „Seven Summits“ nicht sonderlich reizen. Das sind überlaufene Modeberge, die in jedem Katalog stehen. Ich suche das Abenteuer und möchte stressfrei unerforschte Gipfel besteigen. Dazu kommt sicher auch, dass mich die technische Schwierigkeit herausfordert. Nehmen wir den K2 als Beispiel. Dieser Berg ist sehr viel schwieriger als der höchste Gipfel im Himalaya, der Mount Everest.

Sie sagen, dass Sie stressfrei bergsteigen wollen und trotzdem haben Sie das ambitionierte Ziel bis Ende 2010 alle „Second Seven Summits“ zu besteigen.

Hans Kammerlander: Ja, 2009 war ich bereits drei Mal unterwegs. In Chile, Afrika und in Alaska. Dort bin ich dann zwar am Mount Logan gescheitert, aber ich denke, dass ich das beim nächsten Versuch schaffen werde. Ich sehe das eher so: Wenn es mir nicht gelingt auf einem Gipfel zu stehen, dann darf ich noch einmal dorthin zurückkommen und es ein zweites Mal versuchen – Zeitplan hin oder her, eher denke ich jetzt schon daran wie schade es sein wird, wenn dieses Projekt vorbei ist. In den letzten 25 Jahren habe ich den alpinen Wettlauf ständig mitgemacht und auch überlebt. Nachdem ich die Pflicht absolviert habe, folgt jetzt nur noch die Kür.

Wenn Sie stressfrei bergsteigen möchten geht das ja auch in Südtirol. Warum gerade die „Second Seven Summits“?

Hans Kammerlander: Ideen kommen manchmal ganz spontan, oft reifen sie langsam im Kopf und setzen sich fest. Der Gedanke an die „Second Seven Summits“ war sehr sehr hartnäckig. Dort wo ich in jungen Jahren nur Wände und Gipfel gesehen habe, sehe ich heute vielmehr die Möglichkeit in fremde Länder zu reisen und mir bisher verborgen gebliebene Kulturen kennen zu lernen.

Am K2 wären chaotische Zustände vorprogrammiert

Gab es einen bestimmten Moment, wo Sie die Idee das erste Mal hatten?

Hans Kammerlander: Ja. Die Idee kam nach der Besteigung des Jasemba in Nepal. Da hab ich mir gedacht: Jetzt warst du 29 Mal in Nepal, warum gehst du nicht einmal in andere Gegenden. Selbstverständlich kamen mir auch die „Seven Summits“ in den Sinn, aber da es inzwischen über 250 Menschen geschafft haben alle sieben Gipfel zu besteigen, wollte ich nicht einer davon sein. Diese Gipfel sind mir zu überlaufen und schlussendlich kam mir über diesen Umweg die Idee zu den zweithöchsten Gipfeln.

(c) Gerald Radinger

Hans Kammerlander & Stefan Glowacz am IMS 2009 in Brixen/Südtirol

Denken Sie, dass Sie damit einen Ansturm auf die „Second Seven Summits“ auslösen könnten?

Hans Kammerlander: Das kann ich mir, ehrlich gesagt, fast nicht vorstellen. Das Hauptaugenmerk im Bergsport liegt immer auf den höchsten Bergen und deswegen ist es leichter diese kommerziell zu vermarkten. Am K2 beispielsweise – dem schwierigsten 8000er – wären chaotische Zustände vorprogrammiert, wenn dort so viele Menschen hinauf gehen würden. Hinzu kommt die Tatsache, dass sicherlich wenige Menschen dazu bereit sind, diese hohen Summen für die zweithöchsten Gipfel zu bezahlen. Die Garantie, dass die Besteigung gelingt, ist bei den „Seven Summits“ auch aufgrund der bestehenden Infrastruktur und den einfacheren Normalwegen viel höher als bei den eher unbekannten „Second Seven Summits“. Ich bin mir sicher, dass die kommerzialisierte Rekordjagd sich stets nach den klingenden Namen in den Gebirgen richten wird und nicht nach Gipfeln, die keiner kennt.
Ich hab die klingenden Namen hinter mir gelassen. Heute geht es mir um die sportliche Herausforderung und um die Reise in mir unbekannte Gegenden.

Vielleicht ist das fehlende kommerzielle Angebot der „Second Seven Summits“ primär ein infrastrukturelles Problem – Stichwort Neuguinea?

Hans Kammerlander: Sicherlich. Da musst du wegen den „Seven Summits“ hin und keiner weiß genau, was Einen dort erwartet. Dort leben noch Ureinwohner, indigene Stämme, fernab jeglicher Zivilisation. Auch ich möchte auf die Carstensz Pyramide, den höchsten Punkt des Kontinents. Denn dieser Gipfel ist interessant und sehr abgelegen, aber eher einfach. Da kannst du noch alleine sein, da ist keiner dabei, da breche ich keine Grenzen. Ganz im Gegenteil: dort wo es mich interessiert, da bin ich nicht abgeneigt auch den höchsten Gipfel zu besteigen.

Denken Sie, dass Sie Nachahmungstäter finden werden bzw. dass auch Speedbegeher Ihrer Idee folgen könnten?

Hans Kammerlander: Ja, mit Sicherheit. Aber letztendlich fehlt all diesen Bergsteigern der K2 und der hat andere Gesetze. Wenn jemand schneller als ich sein will, bitte. Ob ich als Schnellster oder Zweiter auf dem Gipfel stehe ist mir in dem Moment egal, wenn ich die erlebten Geschichten und schönsten Momente in Form eines Buches oder Vortrages dem Publikum näher bringen darf.

Ueli Steck oder Christian Stangl haben sich auf Speedbegehungen spezialisiert und diese alpine Spielart voran getrieben. Was halten Sie davon?

Hans Kammerlander: Ich habe natürlich einen heillosen Respekt vor einem Ueli Steck, weil er sich schwierige Ziele steckt und diese in unglaublich schneller Zeit erreicht. Ich denke auch, dass hier die Zukunft des modernen Bergsteigens liegen wird. Das Klettern hat sich stark weiter entwickelt und in Verbindung mit einer guten Kondition und mentaler Stärke wird hier noch einiges möglich sein. Ueli Steck vereint diese Fähigkeiten auf hohem Niveau, der kann den direkten Weg gehen und braucht dafür keinen Umweg. Der klettert eine Seillänge, die eine Seilschaft vor 20 Jahren in einem Tag zurück legte, in ein paar Minuten. So kann er genügend Kraft und Zeit sparen, um diese atemberaubenden Begehungen zu machen.
Für den Stangl hingegen ist es wichtig einfach schnell zu sein. Für ihn ist das ein sportlicher Wettkampf, bei dem die Route eher nebensächlich ist.

Wann werden wir am IMS Ihre Geschichten von den „Second Seven Summits“ zu sehen bekommen?

Hans Kammerlander: 2011 kann das schon möglich sein. Vor allem denke ich, dass es ein sehr buntes Programm sein wird. Die schönsten Erlebnisse konnte ich immer in phantastischen Bildern festhalten. Mir ist es wichtig, dass die Besucher einen schönen Vortrag bekommen; dass sie in diesen zwei Stunden mit den Gedanken dem Alltag entfliehen können. Die Menschen sollen nachher sagen können, dass es sich gelohnt hat diesen Abend frei zu halten und Eintritt zu bezahlen. Da geht es mir nicht darum auf der Bühne zu stehen und zu sagen, dass ich der schnellste war. Das wäre mir heute peinlich.

Also ist die Entdeckung der Langsamkeit auch ausschlaggebend für gutes Bildmaterial?

Hans Kammerlander: Eine Tour zu machen und Bilder einzufangen ist seit vielen Jahren ein Hobby von mir. Als junger Kletterer schon habe ich gerne fotografiert, ob das eine Naturaufnahme oder ein Actionbild war. Heute kann ich es mir auch leisten, manches Mal einen Kameramann mit zu nehmen, der mich zwar auf dem Weg zu meinen Zielen begleitet, aber nicht immer bis zum Gipfel mitkommen kann. Dort versuche ich dann brauchbares Material zu drehen.

Welche „sieben Sachen“ haben Sie auf deinen Reisen immer dabei?

Hans Kammerlander: Auf jeden Fall meine Halskette mit dem Xi-Stein und den Gipfelsteinen vom Everest und K2, die ich mir damals mitgenommen habe. Ich habe immer ein Foto meiner Tochter dabei und ohne ein kleines Stück Speck und ein Schüttelbrot gehe ich ohnehin nicht weg.

Ich danke für das Gespräch.

1 Kommentar

  1. Dominik
    9. Mai 2010

    Hallo,

    schönes Interview – interessant zu lesen. Ich denke vor dem Hans sollte man einen riesen Respekt haben. Das aktuelle Ziel ist ebenso wieder ergeizig.

    Ich wünsche ihm viel Glück.

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