Hochfeiler (3510m) Nordwand
Unsere Suche nach einer gediegenen Saisonabschlusstour führt uns ins Zillertal, durch die Nordwand auf den Hochfeiler. Direkt aus Wien angeprescht, stehen wir um 21 Uhr am Schlegeisspeicher, sortieren unser Material, essen eine Kleinigkeit und bereiten uns auf die Nacht vor. Um 3 Uhr klingelt der Wecker. Halb so wild, hab eh schlecht geschlafen und bin wach im Auto gelegen, auf das Klingeln des Weckers wartend. Eigentlich wollten wir um 3.30 Uhr mit den Rädern in Richtung Furtschaglhaus aufbrechen, aber irgendwie wird es dann doch 4 Uhr. An der Materialseilbahn angekommen, deponieren wir unsere Bikes und machen uns per pedes auf den Weg zum ersten Schnee.
Diesen Schnee erreichen wir nach ca. 30 Minuten tragen. Irgendwie fühl ich mich jetzt schon leer. “Mach dich nicht verrückt, einen Müsliriegel und 2-3 Schluck Zaubertrank und es geht gleich wieder!”, denke ich mir in diesem Moment. Das es nicht besser wird, zeigt der weitere Verlauf der Tour. Dazu aber später mehr. Über eine Steilstufe gelangen wir über eine schmale Rinne auf den Gletscher und in die Sonne. Im Juni – manche Leute sagen Sommer – liegt erfahrungsgemäß meist nicht mehr so viel Schnee, was uns zu einem großen Bogen zwingt, welchen man sich zeitiger im Jahr mit einer direkteren Linienwahl sparen kann. Die Szenerie ist großartig: im Rücken den Schleisspeicher, über welchem der Olperer thront, der Große Möseler und zerissene Gletscher mit großen Spalten und Eisbrüchen auf der anderen Seite. Meist in flachem Gelände mogeln wir uns um die Steilstufen herum zum Einstieg der Nordwand.
Die Randkluft ist ziemlich groß, aber im linken Teil kommt man relativ gut in die Wand und in homogener Steilheit zum Ausstieg. Lediglich auf den letzten Metern steilt sich die Wand nocheinmal unwesentlich auf. Obwohl die Wand vor uns von 5 Anderen durchstiegen wurde und wir relativ gut durch die Wand kommen, bin ich am Gipfel total im Eimer. Die Verhältnisse für eine Besteigung sind im Moment aber nahezu perfekt. Vom Ausstieg gehen wir die letzten Meter hinüber zum Gipfel und beraten unseren Weiterweg.
Es ist nicht ganz so warm geworden wie angesagt, die Wand ist irgendwie härter als sie in unseren Träumen hätte sein sollen und nach einem prüfenden Blick auf die Karte ist auch der Weg auf die Südtiroler Seite keine wirkliche Option. Die Abfahrt über die Wand wage ich in diesem Moment nicht, dass ich der Bindung meines Testskis nicht ganz traue, ist da nur Zünglein an der Waage. Ich entscheide mich für den Abstieg durch die Wand, während meine zwei Begleiter die ersten, eisigen Meter absteigen und dann ihre Ski anschnallen. Am Wandfuß steig dann auch ich die Bindung und bekomm noch eine ordentliche Portion Firn ab, immerhin noch knapp 1200Hm bis zum Ende des letzten Schneebands, wo wir nochmal eine lange Pause machen bevor wir zu unseren Rädern absteigen.
Eigentlich war noch der Aufstieg zum Furtschaglhaus und eine Begehung der Himmelsleiter am Großen Möseler geplant, aber angesichts meiner körperlichen Verfassung entschied ich mich dagegen und bin zum Auto abgefahren. Was war falsch gelaufen? Versteht mich nicht falsch, ich war oft schon ziemlich geschlaucht auf bzw. nach einer Tour, aber nie so fertig, dass ich mich kurz mal gefragt habe wie ich eigentlich wieder vom Berg kommen soll.
Ich denke ein Mix aus vielen Faktoren hat dazu beigetragen:
- Ich fühlte mich seit der letzten Tour am Schneeberg etwas verkühlt, hatte nicht wirklich Schmerzen beim Schlucken, aber angenehm war es trotzdem nicht direkt. Zudem hatte ich relativ wenig Appetit und wenig Schlaf. Es hatte sich angekündigt und ich wollte es nicht erkennen, denn mittlerweile sitzte ich mit einer Entzündung im Rachen zuhause und bin noch immer nicht wirklich erholt.
- Die letzten Tage vor der Tour waren aus sportlicher Sicht gesehen relativ gute, ein Pausetag hätte aber sicher nicht geschadet.
- Ich hätte mir eingestehen müssen, dass es am Tourentag – auch wenn ich eine lange Anreise hatte – einfach nicht hätte sein sollen. Ich hätte umdrehen müssen als ich mich zum zweiten Mal fast übergeben habe.
Abgesehen davon, dass die Tour für mich ziemlich mühsam war – eine Tortour quasi – bin ich froh darüber, einen tollen Tag mit tollen Menschen, in einer tollen Umgebung und in einer tollen Tour verbracht zu haben. Letzten Endes ist alles gut gegangen und ich werde beim nächsten Mal, wenn es die Gegebenheiten erfordern und ich einen schlechten Tag habe, meinen (falschen) Stolz über Bord werfen und die weiße Fahne schwenken.
Fazit: Es war anstrengend, schön und lehrreich. Aber wo lässt es sich schöner und eindrücklicher Lernen als in der freien Natur?
3 Kommentare
Dimitrij
19. Januar 2015Grüß dich Carsten,
ihr seid die Wand wirklich im Juni hoch? Habe immer gelesen, dass eine Besteigung via Nordwand immer im März und April ratsam wäre.
Aber wunderschöne Bilder und Gratulation zu der Tour
Dimitrij
Carsten Becker
19. Januar 2015Servus Dimitrij!
das mag wohl stimmen, dass die Nordwände im Frühjahr im Schnitt oft bessere Bedingungen haben. So richtig sommerlich ists ja nicht geworden und so ging das schon noch ganz gut. Genauso kanns dir natürlich im April passieren, dass es volle Lotte schneit und die Lawinengefahr zu hoch ist. Das hängt von vielen Sachen ab! ;)
Lg Casi
Fabian
23. Juni 2014schöne Bilder.