Großglockner (3798m) via Stüdlgrat
Großglockner. Stüdlgrat. Klappe die Zweite. – Letztes Jahr hat uns ja das Wetter, trotz guter Vorhersage, einen Strich durch die Rechnung gemacht (zum Bericht). Kurioserweise und relativ kurzfristig geht es mit David am Samstag in Richtung Kals am Großglockner, nachdem ich ihn erst am Donnerstag davor, auf unserer WG-Besichtigung kennenlernen durfte.
Nachdem die Sommersaison der Stüdlhütte offiziell vorbei ist, weichen wir auf den Winterraum aus. Wir befürchten, dass dieser halbwegs voll werden würde und sind deshalb auch schon gegen 15 Uhr auf der Hütte, wo uns ein ziemlich mitgenommener Tscheche von seiner 16 stündigen Stüdlgratbesteigung – sie waren um 22 Uhr am Gipfel – mit Notbiwak auf der Adlersruhe berichtet. Drei seiner Freunde waren zu dem Zeitpunkt noch am Berg und würden “depending on the conditions” wahrscheinlich auch heute noch zurückkehren. Vielleicht sind die Verhältnisse am Grat doch schlechter, als es der Anblick des relativ schneefreien Grates vermuten lässt? Während wir noch zwecks dem allgemeinen Überblick auf die Blaue Wand (2912m) steigen, trudeln 100 Höhenmeter tiefer immer wieder kleine Grüppchen im Winterraum ein. Im Laufe der Zeit ändert sich ein “Mhh! Des wird oba kuschlig.” zu einem “Oida, wiavui denn bitte no?”. Zum Glück ist unsere Runde am Tisch recht gut gelaunt und wir streuen eine gute Portion Humor über die Gedanken an die bevorstehende Nacht. Nachdem geschätzt 40 Leute in 16 Lagern Platz suchten und das ganze sehr kuschlig wurde, seien die Jungs und Mädls aus Salzburg und München an dieser Stelle gegrüßt. ;-)
Die Letzten Gäste trudelten dann gegen 23 Uhr im Winterraum ein, vom Gipfel kommend. “Due to bad conditions”, wie es scheint. Es sind die Freunde des Tschechen. In Windeseile packen sie ihre sieben Sachen, welche bewacht von ihrem Freund und zu Zwecken der Reservierung für eine mögliche weitere Übernachtung noch im Lager lagen, und steigen gleich noch weiter ins Tal ab. Meine anfängliche Verärgerung über den Radau im Lager weicht der Zuversicht: Mehr Platz! Die Löffelchenpflicht ist aufgehoben, individuelles Umdrehen ist wieder gestattet.
Zeitumstellung. 3 Uhr, es klingelt ein Wecker und macht das ganze Lager wach. Stimmen munkeln es wäre jetzt eigentlich schon 5 Uhr und langsam Zeit für Frühstück, eine andere Stimme fährt aufklärend dazwischen. Sie haben den Wecker falsch gestellt. Wir gönnen uns also noch eine Stunde Schlaf. Um 4 Uhr stehen dann eigentlich alle auf, die an diesem Tag den Stüdlgrat auf der Wunschliste stehen haben. Schnell noch etwas Schnee geschmolzen, ein paar Nüsse und Müsliriegel verputzt, dann geht es los. Wir binden uns mit den Salzburgern am eigentlich harmlosen Gletscher ein. Sicher ist sicher. Der Wind ist stark, aber noch erträglich. Mit den ersten Sonnenstrahlen erreichen wir den Grat. Mit uns erreichen auch andere Seilschaften den Einstieg. Wir ziehen gleich seilfrei weiter, sind somit die Ersten am Grat. Die Ersten, die sich ungewollt im direkten Einstieg befinden.
Seil raus. Wir sichern die nächsten Meter und stoßen dann relativ schnell auf die Einstiegsvariante, welche wir eigentlich geplant hatten. Seilfrei geht es dann weiter zum Frühstücksplatz auf 3550m, der Stelle am Grat, an der wir uns nun wirklich einbinden. Am laufenden Seil geht es schnell höher, klassische Sicherung kommt nur an zwei oder drei kurzen Stellen zur Anwendung. Der Fels ist bombig, durch die zahlreichen Begehungen ist lockeres Gestein fast nicht zu finden. Die Kletterei macht tierischen Spaß und ist abwechslungsreich. Das Drumherum, der Ausblick, die stellenweise Ausgesetztheit, grandios. Einzig die Schneeauflage und der Wind sind etwas störend, was uns aber nicht von der Meinung abhält, der Grat könne gerne auch etwas länger sein. Persönlich machten mir die “Hangelplatte” und die Ausstiegslängen am meisten Spaß. Weniger toll sind die Längen, an denen Drahtseile oder ähnliche Hilfsmittel den Berg kundenfreundlicher machen.
Ziemlich genau 5 Stunden nach unserem Aufbruch an der Stüdlhütte erreichen wir den Gipfel des Großglockners auf 3798m. Die ersten Minuten waren – zum Glück, wer würde sonst die Fotos machen – noch andere Seilschaften mit uns auf Österreichs höchstem Berg. Ziemlich nett von ihnen, dass sie sich relativ flott wieder an den Abstieg machen und uns den Gipfel überlassen haben. Zum ersten Mal bei guter Sicht auf dem Glockner: Dachstein, Hochalmspitze, Großvenediger, Pasterze, Wiesbachhorn und wie sie alle heißen. Der Ausblick, aber auch der Tiefblick in die nordseitigen Rinnen, haut einen vom Hocker. Wettertechnisch haben wir es einfach bestens erwischt, denn nördlich und südlich von unserer Position sieht man die ersten Wolken aufziehen und in den Tälern und Becken hält sich der Hochnebel zum Teil hartnäckig. Endlich kann ich mir unter dem Begriff “Tauernfenster” auch etwas vorstellen!
Irgendwann machen auch wir uns an den Abstieg. Der Wind nimmt nun deutlich zu, wirft uns im Bereich des Kleinglockner- bzw. Hofmannskees fast zu Boden. Im windgeschützten, ostseitigen Bereich der Erzherzog-Johann Hütte legen wir die erste ausgedehnte Pause ein. Essen, Trinken, Fotographieren, Philosophieren. Was man eben so macht in Pausen. Mit kurzem Aufenthalt im Winterraum der Stüdlhütte, wo wir unseren deponierten Kocher, Schlafsack und Müll einsammeln, geht es die letzten Höhenmeter hinab zum Auto. Kurz nach 15 Uhr geht ein schöner Tourentag zu Ende. Jetzt wollen nur noch die 500km nach Wien gemeistert werden. Koffeinhaltigen Erfrischungsgetränken sei Dank schaffen wir das auch.
Obwohl am Großglockner die meiste Zeit ziemlich viel Andrang herrscht, muss ich meine Meinung mittlerweile etwas revidieren. Wenn man den Zeitpunkt geschickt wählt, hat man die Möglichkeit einen Glockner ohne Trubel zu erleben. Ich werde sicher wieder kommen, sei es durch eine der Rinnen oder im Winter mit Ski. Bis bald!
1 Kommentar
Fabian
3. November 2013Eine sehr schöne Beschreibung!
Fabian