Die Großen Zehn
Lange bevor “www” gleichbedeutend für „World Wide Web”, also das Internet wurde, war das unscheinbare Kürzel bereits einer eingeschworenen Gemeinde in Österreich bestens bekannt: Es stand und steht bis heute für “Weitwanderweg”.
In Österreich gibt es rund 100 regionale wie überregionale Weitwanderwege. Das Spektrum reicht von einfacheren Flachlandwanderungen bis hin zu anspruchsvollen und ausgedehnten, oft wochenlang dauernden Bergwanderungen. Eines haben alle Weitwanderwege gemeinsam: sie verlaufen auf regional vorhandenen und markierten Wanderwegen. Bei der Erstellung der Routen durch den Österreichischen Alpenverein, wurde darauf geachtet, dass sowohl landschaftliche als auch kulturelle (bzw. kulturhistorische) Sehenswürdigkeiten eingebunden und so dem Weitwanderer im wahrsten Sinne des Wortes zugänglich gemacht werden. Zusätzlich sollte auch ein guter Zugang zur zivilisatorischen Infrastruktur gegeben sein, was dazu führte, dass Hütten mit Übernachtungsmöglichkeit in regelmäßigen Abständen an den Wegen zu finden sind. Ebenfalls führen die Wege in regelmäßigen Abständen durch Ortschaften und Siedlungen wo man mehr oder weniger einfach an- und abreisen kann, um so Teilbegehungen planen zu können bzw. wo man im Falle des Falles eine Tour möglichst unkompliziert abbrechen kann.
Die Markierungen sind hierzulande im gewohnten Rot-Weiß-Rot gehalten und entlang des Wegverlaufes zu finden. Zusätzlich weisen in größeren Abständen angebrachte Tafeln mit einer dreistelligen Nummer den Weg, wobei die erste Ziffer vom momentanen Aufenthaltsort abhängt und die letzten beiden Stellen dem jeweiligen Weitwanderweg zugeordnet sind. Die Nummern findet man häufig auf den verbreiteten gelben Wegweisern welche nach der Europäischen Wegerichtlinie errichtet wurden. Zusätzlich sind die Nummern oft auch mit schwarzer Farbe in das weiße Feld der Farbmarkierungen geschrieben.
Erst 1968 wurde vom ÖAV ein Entschluss gefasst insgesamt zwölf überregionale Weitwanderwege quer durch Österreich anzulegen, wobei letztendlich nur zehn davon realisiert wurden. Diese, oftmals als die Großen Zehn bezeichneten Wege hatten per Definition folgende Kriterien zu erfüllen: Sie mussten eine Wegstrecke von mindestens 300 km aufweisen und im Streckenverlauf mindestens drei österreichische Bundesländer berühren. Ein ebenfalls bei der Planung berücksichtigter Punkt war die Eingliederung der nationalen Wege ins Europäische Fernwanderwegenetz. Geplant waren von Anfang an jeweils mehrere Ost–West- als auch Nord–Süd-Querungen durch das Land, sowie die Einbindung des sternförmigen Mariazeller-Pilgerwege-Systems.
Die Großen Zehn im Überblick:
- 01: Nordalpenweg (Rust am Neusiedler See bzw. Perchtoldsdorf – Bregenz; ca.1160 km)
- 02: Zentralalpenweg (Hainburg an der Donau – Feldkirch; ca. 1270 km )
- 03: Südalpenweg (Bad Radkersburg – Sillian; ca. 510 km)
- 04: Voralpenweg (Wien – Salzburg; ca. 500 km)
- 05: Nord-Süd-Weg (Nebelstein im Waldviertel – Eibiswald; ca. 510 km)
- 06: Mariazeller Wege (von Eisenstadt, Wien, Graz, Klagenfurt, Linz, Salzburg und vom Nebelstein über St.Pölten; insgesamt ca. 1000 km)
- 07: Ostösterreichischer Grenzlandweg (Nebelstein im Waldviertel – Bad Radkersburg; ca. 700 km)
- 08: Eisenwurzenweg (Rottal im Waldviertel – Seebergsattel; ca. 550 km)
- 09: Salzsteigweg (Sternstein im Mühlviertel – Karawanken; ca. 440 km)
- 10: Rupertiweg (Bärenstein im Böhmerwald – Naßfeld; ca. 560 km)
Bis Ende der 70er Jahre wurden die Großen Zehn eröffnet und fanden auch regen Anklang bei der mitteleuropäischen Wander- bzw. Weitwandergemeinschaft. Trotz des gegenwärtigen Outdoor-Booms ist die Zahl der Begehungen heute allerdings eher rückläufig. Die Sektion Weitwanderer des Österreichischen Alpenvereins, einzige überregionale Sektion des Alpenvereins und Interessensvertretung der Weitwandergemeinschaft agiert heute nicht nur als Herausgeber der Führerliteratur für die Großen Zehn, sondern verleiht auch Wanderabzeichen für nachgewiesene Begehungen. Erika & Fritz Käfer, bekannte Wanderbuchautoren, sowie Vorstandsmitglieder der Sektion Weitwanderer des ÖAV schätzen die Zahl der Begehungen der zehn Wege seit Bestehen auf ca. 14000 – 15000, wobei die einzelnen Wege verschiedentlich stark begangen werden.
Eindeutiger Spitzenreiter mit weit über 100 Weitwanderer bzw. in dem Fall Pilgerer pro Jahr sind die Mariazellerwege. Der Zentralalpenweg gilt als die anspruchvollste Durchquerung des Landes und ist mit nur 0 bis 3 Begehungen pro Jahr am anderen Ende der Statistik zu finden. Die Zahl der Weitwanderer die alle 10 Wege gewandert sind wird momentan auf 65 geschätzt, wobei 2 Personen nachweislich alle 10 zweimal begangen haben! Respekt. Bei all diesen Zahlen sei jedoch dazu gesagt, dass diese nur Näherungen sein können, da sie nur Rückschlüsse aus den Verkaufszahlen der Führerliteratur sowie der Vergabe der Weitwanderabzeichen sind. Auch sind statistische Durchschnittswerte nur bedingt aussagekräftig, da eben in den Anfangsjahren der Wege die Zahl der Begehungen deutlich größer war als in jüngerer Zeit.
1 Kommentar
Fritz Peterka
22. Juli 2013Vielen Dank für den schönen Beitrag über die “Großen Zehn”. Kleinigkeiten wären zu ergänzen. Z. B. gibt es mehr als nur den Alpenverein. Seit 1978 wird der Zentralalpenweg von Wienerland betreut. Und Wienerland zählt mehr als 3 Begehungen pro Jahr…
Das mit den gesicherten Begehungen ist auch relativ, weil sich der Autor ausschließlich auf Alpernvereinsmnaterial stützt. Schade. Z. B. bin ich auch nachweislich zweimal alle zehn Wege gegangen, u.a. 1994 alle am Stück. U.a.m.