Berglauf-Premiere am Fadensteig
Der Atem war tief und schnell, meine Ohren waren verschlagen. Das repetitive Atemgeräusch war wie ein Beat, der mich Meter um Meter höher peitschte. Ich war auf der Strecke meines ersten Berglaufs unterwegs und das hat sich anstrengender herausgestellt als erwartet. Meine Laufeinheiten waren erst Mitte Mai wieder von einer gewissen Regelmäßigkeit geprägt. Schnuppern im Kursbetrieb an der USI, dem Universitätssportinstitut Wien? Alles klar. Zwar war ich dort seit meinen Anfangsjahren in Wien nicht mehr inskribiert, aber warum nicht, dachte ich mir. Und schon war ich zum Lauftraining angemeldet, die Schuhe waren geschnürt und ich stand vor der Sportstätte in ungeduldiger Warteposition. Niemand kam, der Kursbetrieb war offensichtlich auf den Vienna City Marathon abgestimmt und die Einheiten Mitte Mai bereits absolviert. Typisch Uni, dachte ich mir – Information dazu gab es nämlich nirgends. Mein Glück, das parallel dazu ein anderer Kurs stattfand, wo ich sofort mitmachen konnte. Einmal per Rad auf die Schmelz (für Leser/innen aus Wien ein Begriff, Sitz des Universtitätssportinstituts) und mit einer Ummeldung in der Tasche retour.
Seit der Expedition nach Kirgistan, und der dort gemachten Bekanntschaft zum jungen “Skyrunner” Pau Castañer Llido aus Spanien, bin ich das erste Mal in dieser Direktheit mit dem Thema Berglauf in Berührung gekommen. Denn da stand ein charismatischer junger Mann vor mir: Bergläufer, Anfang 20 und Raucher. Zur damaligen Zeit erfüllte ich zumindest ein Kriterium Bergläufer zu sein. Wieder zurück in Wien habe ich die Namen seiner großen Berglaufidole gesucht und mir hungrig die Videos von Kilian Jornet, Anton Krupicka und anderen angeschaut. Die begeisterten Erzählungen unserer Bloggerkollegen von WUSA on the mountain taten ihr Übriges dazu. Ich bekam nicht genug davon, bloß davon zu lesen und die Videos zu schauen – ich fand das geil, was diese Typen machten. Das wollte ich auch! Drei Monate später war ich bereits mittendrin. Die Kursleiterin, Veronika Limberger, selbst begnadete und erfolgreiche Bergläuferin, sprach immerfort vom Fadensteiglauf. Das Wort „Lauf“ sei für die Strecke zwar ein Euphemismus, was ich währenddessen auch zu spüren bekam. Am Tag des Laufes war ich in der Früh knapper dran als gewollt, doch es war noch ausreichend Zeit, um meine Startnummer zu holen und mich einzulaufen. Viele der Athleten waren bereits damit beschäftigt oder anderwertig in ihrer Vorbereitung vertieft. Nervosität war ein Faktor, mit dem ich nicht rechnete – jetzt war es voll da, ein flaues Gefühl in der Magengegend. Zehn Minuten vor dem Start ging es noch schnell auf die Toilette, denn das Rennbriefing würde in Kürze an der Startlinie beginnen. Eine familiäre Atmosphäre herrschte dabei. Die Strecke und die Regeln wurden noch allen Teilnehmer/innen in Erinnerung gerufen. Noch zwei Minuten bis zum Start. Gut, im Geiste ging ich nochmal die bevorstehende Strecke durch. Noch fünf Sekunden. Mein Puls preschte bereits vor dem Startschuß in die oberen Sphären des aeroben Bereichs vor. Wo kam den jetzt die Nervosität her? Berglauf Nummer Eins: gleich werden wir Freunde!
Gemütlich beginnt der Lauf über die Lahningpiste des kleinen Skigebietes am nordöstlichen Ausläufer des Berges. Doch nicht lange und mein Laufstil ändert den Modus in schnelles und betont dynamisches Gehen – immerhin geht es hier um die Zeit. Zum Ziel habe ich mir gesetzt, unter einer Stunde zu bleiben. Vor einigen Wochen war ich gekommen, um den mir bekannten Steig mit einem Kollegen vom Lauftraining, Laufschuhen und „anderen Augen“ zu begutachten. Damals wurden wir von einem herannahenden Gewitter gehindert, über das Plateau zum Gipfel zu gehen. Die Zeit zum Umkehrpunkt war vielversprechend. Doch beim Lauf sah alles ganz anders aus. Nach den ersten paar Hundert Metern steilte die Piste auf, mein Puls war seit dem Startschuß schon im Galopp – an laufen war nicht zu denken. Nur nicht zu schnell, dachte ich mir. Ich wollte weiter oben auch noch Tempo machen. Unterhalb der Edelweißhütte war ich schon am Anschlag. Ein Schluck Wasser nahm ich bei der Hütte und weiter zum Fadensteig. Erst im Felsgelände kam ich gut in Fahrt. Der obere Teil verlangte immer öfter, das ich Hand anlegte, doch je weiter oben je besser ging es mir. Endlich, die letzten 40, 50 Meter steil empor aufs wiederum relativ flache Plateau. Ein Schild gab Auskunft über die verbleibenden Distanz zum Ziel: 1,5 km! Noch ein Drittel der zu bewältigenden Strecke von 4,5 km für den letzten und als von mir zuvor kurz interpretierten Abschnitt? Immerhin, ich hatte schon 900 Höhenmeter bewältigt und es fehlten „nur“ mehr 300 von hier bis zum Ziel bei der Fischerhütte. So flach der letzte Teil bei der Besichtigung erschien, so konstant hoch war mein Puls. Ich wollte laufen, aber da ging nichts mehr. “Das ist echt brutal hier”, dachte ich mir. Nun hätte ich vom Gelände her laufen können, doch der steile Anstieg und das rasche Tempo forderten Tribut.
Es gelang mir trotzdem, mich etwas zu erholen. Ich löste mich von den Sohlen meines „pace makers“ und gab an einer Steilstufe noch einmal richtig Gas. Im Flachen konnte ich sogar nochmal laufen, drei Plätze habe ich gut gemacht. Der Nebel ist schon längst in Schneebergmanier übers Plateau gezogen und verursachte Diffusionen bei der Orientierung. Doch plötzlich wurde es verdächtig flach, wir näherten uns dem Ziel. Ich spurtete nochmal, gab alles und es war geschafft: ich war im Ziel und am emotionalen Gipfel. Glücklich und zufrieden war ich. Erst einige Minuten später erinnerte ich mich an die laufende Uhr am Handgelenk: 1:13 sagte das digitale Meßgerät. Ich muss zugeben, im ersten Moment war ich enttäuscht. Weniger über das Ergebnis, als viel mehr darüber, dass ich tatsächlich dachte, die Marke von einer Stunde nach einer Vorbereitung von drei Monaten so einfach unterbieten zu können. Es war dann auch schön zu realisieren, dass hier noch Luft nach oben ist und ich es definitiv schaffen kann – ein andermal. Meine offizielle Zeit lag dann auch mit 1:11:22 etwas unter meiner Messung. Immerhin war etwas viel Wertvolleres vollbracht: Ich habe mich nicht nur für meinen ersten Berglauf angemeldet, sondern bin auch gestartet und – was noch viel wichtiger ist – habe ihn beendet. Denn „zach“ war es schon über einen der direktesten Wege auf den Schneeberg zu eilen. Und hey, als Bergsteiger ist es mir noch möglicherweise auch noch nie gelungen für fast 1200 Höhenmeter 1:11:22 zu brauchen.
Fazit:
Ein geiler Lauf in alpinem Terrain, auf den östlichsten Zweitausender der Ostalpen! Der Fadensteiglauf hat sicherlich das Potenzial, ein gewaltiger Klassiker zu werden, wenn er mehr leidensfähige Bergläufer anzuziehen vermag. Mit mehr Fokus auf das Marketing könnte dies auch gelingen. Das Rennen war gut organisiert, ich hatte ein sicheres Gefühl als Teilnehmer. Die familiäre Atmosphäre während den Startvorbereitungen und bei der Siegerehrung war mir sehr sympathisch. Das Organisationsteam nahm zum Teil selbst am Lauf teil. Danke dem Organisationsteam Ulrike Schultes, Peter Groß und Franz Hausmann, dem Wintersportverein und der Bergrettung Puchberg.
Einige Zahlen zum Fadensteiglauf:
Ein Höhenunterschied von ca. 1180 Höhenmetern ist auf der 4,5 km langen Strecke vom Start bis ins Ziel zu bewältigen. Der Fadensteiglauf wurde am 25. August 2007 zum 1 Mal und am 23. August 2014 zum 8 Mal ausgetragen. Heuer nahmen 82 Läufer daran teil. Das ist die zweithöchste Anzahl an Startern in der bisherigen Gesichte des Laufes. Nur 2012 waren mehr Teilnehmer an der Startlinen vorzufinden, nämlich 88 an der Zahl. 2009 waren mit 47 die wenigsten Teilnehmer am Start. Wenn man die 8 Läufe seit der ersten Austragung 2007 näher betrachtet, kann man sich errechnen, dass durchschnittlich 64 Bergläufer am Start waren. Frauen sind bei Läufen generell meist in der Minderheit. Auch beim Fadensteiglauf 2014 haben nur 6 Frauen (7,32 %) und zum Vergleich 76 Männer (92,68 %) die Strecke absolviert. Der alte Streckenrekord vom 1. Fadensteiglauf aus dem Jahr 2007 hat der damalige Sieger Gerhard Hötschl mit einer Zeit von 45 Minuten und 25 Sekunden aufgestellt. 8 Jahre dauerte es bis schließlich bis 2014 der Slowene Miran Cvet die Zeit um 5 Sekunden unterbot und damit den neuen Rekord auf dieser Strecke hält. Die schnellste Frau auf dieser Strecke ist Isabella Schmöger, die 2012 mit einer Zeit von 57 Minuten und 19 Sekunden den aktuellen Streckenrekord hält. Beim Lauf 2014 gelang es 17 von 82 Starter die Strecke in einer Zeit unter einer Stunde zu bewältigen, also jedem fünften Starter.
Strecke & Profil:
8 Kommentare
Tamara
27. März 2017Hallo Trailrunners! Wie bereits im Kommentar von Johannes erwähnt möchte auch ich auf den Brixen Marathon hinweisen! Der findet heuer am 1. Juli statt, http://www.brixenmarathon.com/ und es kann in diesen drei Wertungen teilgenommen werden: Marathon (42,195 km) – Staffel 4 x 4 (11km/8 km/14,5 km/8,5 km) – Staffel 2 x 2 (19 km/ 23 km) – Wer traut sich? ;-)
Michael Boch
30. April 2016Wo hast du denn in Wien bitte Berglauf trainiert? Etwa auf der hohen Warte :D
Gerald Radinger
12. Mai 2016Gut getippt, lieber Michael. Zwischen Leopoldsberg und dem Lainzer Tiergarten kann man die Strecken gut verbinden und sogar eine Halbmarathondistanz mit mehr als 1000Hm laufen. Das hätte ich zuvor nicht für möglich gehalten :)
Johannes
11. Juni 2015Hallo Gerald,
wenn du mal Zeit und Lust hast und in Südtirol unterwegs bist, dann könntest Du die Teilnahmen an diesem Marathon einplanen: http://www.brixenmarathon.com/
Tolle Organisation und super Panorama (OK, davon bekommt man während des Rennens nicht viel mit) ;-)
Viel Spaß und Erfolg bei Deinen weiteren Rennen!
Jo
Gerald Radinger
1. Juli 2015Lieber Johannes,
ein bisschen was bekomme ich schon mit vom Panorama und nach Südtirol möchte ich auch schon länger. Ich melde mich, wenn es soweit ist :)
Lieben Gruß, Gerald
Guy Jean
9. Oktober 2014A true mountain warrior. Come tackle the plains of North Dakota. Snow-shoeing never sounded more liberating.
Much love,
mw
Gerald Radinger
10. Oktober 2014Thanks! I have you in mind a lot. With all due respect: Mt. Rushmore is more south, right?
Nice to hear from you,
Gerald
Sabrina
3. September 2014Hallo zusammen,
ja was sollen wir da noch sagen? Vielen Dank, dass wir Euch durch unser Tun ein bisschen sehr für das Trailrunning oder in dem Fall Berglauf begeistern konnten! Und Gratulation zur super Zeit und Leistung!
Wir sind gespannt auf die Rennen die da noch kommen werden! Vielleicht sehen wir Euch direkt bei der Trail Maniak? Sonst aber dann hoffentlich bei unserem Lauftreff am 28. September? Das wird zwar kein Rennen, aber ein Tag mit lauter lustigen “Geländeläufern” und reichlich viel Spaß!
LG Sabrina