Zur Akklimatisation auf den Andyrchi (3913m)

Veröffentlicht von am Sep 15, 2009 in Elbrus, Hochtouren, Kaukasus | Ein Kommentar
Zur Akklimatisation auf den Andyrchi (3913m)

Der Kaukasus-Hauptkette nach Norden vorgeschoben, zwischen Adylsu- und Adyrsu-Tal liegt die relativ kurze Adylsu-Kette. Am deren äußersten Ausläufern, in unmittelbarer Nachbarschaft des höchsten Gipfels der Kette (Kurmychi, 4058 m) liegt das Ziel der für diesen und den Folgetag geplanten Akklimatisationstour: “Andyrchi” gibt uns unser ukrainischer Begleiter Anatoly zu verstehen. Er deutet auf einen relativ flachen Felsriegel, der im Norden noch den letzten Rest des Schneeumhangs trägt. Es wäre schön gewesen, auf dem ersten Viertausender zu stehen, der Blick auf die Karte zeigt, dass wir nicht weit davon entfernt sein werden. Und immerhin: höher als auf diesem Punkt war ich zuvor noch nie, geschweige denn, dass es “nur” eine Akklimatisationstour für das eigentliche Ziel dieser Reise sein wird, dem Elbrus. Technische Schwierigkeiten gibt es kaum, lediglich am Gipfelkamm nach Norden muss man gelegentlich kurz Hand anlegen. Der Gipfel protzt mit einer fantastischen Rundsicht in die Kaukasus-Hauptkette, und ist immerhin der Zweithöchste im kurzen Adylsu-Kamm – immerhin.

(c) Gerald Radinger

Am ersten Tag wandern wir zu einer Gletscherzunge. Gegenüber können wir bereits unser nächsten Ziel, den Andyrchi, sehen.

(c) Bernadette Pree

Schön langsam werden wir warm.

(c) Bernadette Pree

Diese schier endlos scheinende Schneise müssen wir erstmal hoch. Temperatur: gefühlte 38° im Schatten.

Wir starten von unserem Zeltplatz bzw. Basislager, dem Camp “Ochag”, dass von der Straßenkreuzung “Shkhelda/Adylsu” etwas weiter unten im Tal nur mehr per pedes, auf dem Rücken eines Lasttieres oder mit Geländefahrzeugen zu erreichen ist. Direkt vom Camp winden wir uns in nicht enden wollenden Kehren einen steilen Grashang empor. Das Ganze bei gefühlten 40° Celcius. Der Weg ist gut ausgetreten, selbstverständlich nicht markiert und führt uns über die üppig blühende Wiese bis zu einem ausladenden und kargen Karboden auf der Südseite der Adylsu-Kette. Hier erreichen wir auch den geplanten Halt und somit das Etappenziel des heutigen Tages. Einige Steinmäuerchen deuten darauf hin, dass hier öfter gecampt oder biwakiert wird. Einige der Plätze sind zudem auch halbwegs eben und das Prinzip der Platzvergabe lautet “First come, first serve”. Hurtig kramen Bernadette und ich die Planen aus dem Rucksack und reservieren unsere erste Klasse Aussichtsloge am äußersten und vordersten Rand des hurtig wachsenden Häufchens an unterschiedlich großen und bunten Kunststoffbehausungen.

(c) Bernadette Pree

Part of the Austrian Gang

(c) Gerald Radinger

Elbrus Ost- und Westgipfel mit der erkennbaren Südroute

(c) Gerald Radinger

Unser Begleiter Valery aus der Ukraine ist glücklich mit uns in “seinen” Bergen unterwegs zu sein.

Der scheinbar endlose Zustieg ist endlich geschafft und schön langsam weicht die Affenhitze einem frischen Sommerabend in Österreichs Bergen. Diesen Temperaturschwankungen war ich im Grunde noch nie richtig gut gewachsen. Die Strapazen und körperlichen Empfindungen mal beiseite gelassen, wandert das Auge über die vor uns schroff in den Himmel ragende Kaukasus-Hauptkette. Krasse Zapfen und die meisten davon gestandene Viertausender. Während ganz rechts, dem Hauptkamm etwas abgesondert und von jenem geradezu von der untergehenden Sonne abgetrennt, sich ein monumentaler Kegel in das Panorama pflanzt. Dort sollen und wollen wir hinauf!? Etwas nervös schiele ich genau auf die Südflanke und kann den Aufstiegsweg geradezu erkennen.

(c) Gerald Radinger

Noch wenige Meter gilt es heute mit schwerem Gepäck zu bewältigen.

(c) Gerald Radinger

Et voilà: Kaukasus

(c) Gerald Radinger

Im Dienste der Allgemeinheit. Wasser holen ist elementare Beschäftigung hier oben.

Die Nacht war ruhig und erholsam. Nach dem Frühstück geht es los, über eine Rippe in einen Sattel am Adylsu-Kamm auf fast 3700m. Wow, so hoch oben war ich noch nie zuvor! Rechts von uns ein schönes Horn, der Kurmychi oder Kumutau – knapp über Viertausend. So nah war ich einem Viertausender noch nie gekommen. Das sollte noch länger so bleiben, denn unsere Route führte unschwierig über den breiten Firn- und Blockgrat auf den Uzlovaâ Andyrtau mit prächtigem Panorama. Und von dort in leichter Blockkletterei auf einem teils luftigen Grat nach Norden auf den Hauptgipfel Andyrtau, oder Andyrchi. So wie sich auch die Namen unterscheiden, so ist das hier auch mit der Angabe der Höhe, die – je nach Quelle – bis zu 60 Meter schwanken kann. Man weiß es nicht genau. Wir jedenfalls haben Spaß an diesem schönen Nachmittag auf fast 4000m und genießen den Rundumblick auf die Kaukasus-Hauptkette, den Elbrus und die grandiose und einsame Wette im Norden.

(c) Gerald Radinger

Balkon mit Aussicht.

(c) Gerald Radinger

Langsam zieht es zu.

(c) Gerald Radinger

Noch ein letztes Bild, bevor wir in den Wolken verschwinden.

Der Abstieg verläuft gut und ist kurzweilig – der Schmäh zwischen den Teilnehmern rennt und etwas Nervosität ist schon bemerkbar. Noch niemand von uns hat sich mit dem Elbrus als Ziel eine so hohe bergsteigerische Herausforderung jemals zuvor gesucht. Wir erreichen unseren Zeltplatz und es ist jedem freigestellt noch eine Nacht hier oben, allein und auf eigenen Faust zu übernachten oder mit der Gruppe ins Tal abzusteigen. Ohne zu zögern entscheiden sich Bernadette und ich, sowie unsere beiden Begleiter und Freunde aus der Heimat zu bleiben. Zwei Zelte also. Und auch die Nachbarn, ein norwegisch-deutsches Zeltkollektiv entscheiden sich zu bleiben – wir sind also nicht alleine. Im Gegenteil, wir gestatten Paul, dem jungen Genuesen eine Bleibe in unserem Zwei-Mann-Zelt. Die Nacht verspricht kuschliger als gewohnt zu werden. Paul war bisher eher vom Unglück geplagt. Er ist ohne seinem Gepäck am Flughafen des Ausgangsstädtchens für Elbrus-Expeditionen, in Mineralnye Vody, gelandet. Und selbst nach einigen Tagen, fadenscheinigen Versprechungen und Vertröstungen der russischen Fluglinie kam auch nach Tagen noch nichts in unserem Camp an. Alles was er dabei hatte, waren die Kleidung, welche er beim Flug getragen hat, seine Bergschuhe und einige Utensilien, welche im Handgepäck waren. Alles andere und für den weiteren Verlauf der Exedition elementare, wie warem Kleidung, Schlafsack, Unterlegsmatte, Steigeisen, usw. borgte er sich stets von jenen, die momentan etwas davon nicht benötigten – wie in dieser Nacht einen Schlafsack – oder denen, die vorsichtshalber großzügiger gepackt hatten.
Am frühen Abend brauste ein Gewitter mit Hagelschauern über uns hinweg. Der erste Härtetest für das Zelt und für uns war bestanden. Bevor wir auch in dieser Nacht tief schlaften durften, wurden wir noch Zeugen eines seltsamen und gerade abstruse anmutenden Schauspiels. Während des Starkregens waren mehrere Männer im Aufstieg an unseren Zelten vorbeigegangen, die vor Einbruch der Dunkelheit einen verletzten Soldaten mit ihren bloßen Händen ins Tal – erneut an unseren Zelten vorbei – trugen. Hm, Hubschrauber gibt es hier, wenn überhaupt, dann sehr selten.

Neuer Tag, schönstes Wetter. Unser Viererteam aus Oberösterreich am Paß.

(c) Gerald Radinger

Die letzten Meter bis zum Vorgipfel. Die Luft ist dünn, das Panorama sagenhaft.

(c) Gerald Radinger

Am Vorgipfel. Unten im Tal der Ort Elbrus und darüber der gleichnamige Vulkankegel.

Gruppenbild mit Dame.

(c) Gerald Radinger

Die ersten Verletzungen werden fachgerecht versorgt.

(c) Gerald Radinger

Wir beeindrucken die ukrainischen Bergveteranen und die anderen Teilnehmer mit der alpenländischen Art ein Firnfeld “abzusteigen” und ernten wildes Geschrei und Applaus. Völkerverständigung der anderen Art.

(c) Bernadette Pree

Schnell einen Blick nach draußen – es hagelt!

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Aber im Zelt ist es kuschelig. Bernadette, Paolo und ich genießen den Abend.

(c) Gerald Radinger

Am nächsten Tag kommt die Sonne wieder und wir können in aller Ruhe in unserem Basecamp, dem Zeltplatz, alles trocknen.

(c) Bernadette Pree

Noch ein letztes Bier bei der hiesigen “Fortgehmeile”

1 Kommentar

  1. Sabrina
    21. Oktober 2014

    Hi Hochtouristen-Team,

    schöner Bericht und scheinbar extrem lässige Tour! Sehr cool!

    Das gefällt uns WUSA´s seeeeeeeeeehr! :)

    LG und weiter so!

    Sabrina

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