Mit Fjellski und Pulka in der Hardangervidda: Mini-Expedition von Finse nach Ustaoset

Mit Fjellski und Pulka in der Hardangervidda: Mini-Expedition von Finse nach Ustaoset

Dass Skifahren nicht gleich Skifahren ist, war mir schon immer klar. Immerhin gibt es Alpinskifahren (in all seinen Variationen), Telemark, klassisches Langlaufen, Skating und Skitourengehen. In Norwegen aber,  ist auch Skitourengehen nicht gleich Skitourengehen. Die Skitourenausrüstung wie wir sie aus Österreich oder den Alpen kennen, ist hier erst seit den letzten Jahren so richtig populär. Traditionell werden hier in Norwegen sogenannte “Fjellski” für Skitouren verwendet, also “Bergski”. Seit fast 3 Jahren bin ich jetzt hier und habe verwehrt meine Tourenski gegen solche Fjellski einzutauschen, wohl aus purer Sturheit und zugegebenermaßen auch aus Unwissenheit. Wozu mit Skiern im flachen Gelände ewig lang dahin latschen, wenn ich mich doch in Rinnen, auf steilen Flanken und im Pulverschnee vergnügen kann?

    FJELLSKI für Anfänger
  • Fjellski sind, was die Breite und Länge betrifft, ein Mittelding aus Langlaufski und Tourenski.
  • Fjellski haben oft Stahlkanten, außer welche für Jäger. Da gibt es sie ohne, damit die Pfoten vom Jagdhund nicht verletzt werden können.
  • Die Bindung verbindet nur die Spitze der Lederstiefel mit dem Ski. Die Ferse bleibt, sowohl beim Aufstieg als auch bei der Abfahrt, beweglich.
  • Viele Norweger setzen auf Fjellski “Made in Austria”, aus dem Hause Fischer oder Atomic. Norwegische Firmen wie z.B. Åsnes haben aber die Nase vorne.
  • Fjellski werden entweder gewachst, um bei einem etwaigen Aufstieg besseren Halt im Schnee zu haben, oder man legt Felle auf (hier gibt es Felle, welche die gesamte Skilänge ausmachen, oder “kortfeller”, welche nur ca. 50 cm lang sind und im Bereich unter der Bindung angebracht werden).

Seit dem Interview mit Cecilie Skog und nachdem ich in Büchern von Polarexpeditionen gestöbert habe, ist dann doch das Interesse entfacht. Förderlich war wohl auch die Erfahrung, die ich bei einer Skitour mit DNT (dem norwegischen Alpenverein) gemacht habe. Da war ich die Einzige mit (richtigen) Tourenskiern und alle anderen mit Fjellskiern. Und ich war dann auch die einzige mit Blasen vom Gehen in flachem Gelände. Lange Einleitung, aber kurzum: die Zeit war reif für eine Fjellskitour.

Und wenn schon eine Fjellskitour, dann richtig und mit Pulka! Das ist eine Art Schlitten (auch Nansenschlitten genannt), den man hinter sich herzieht und in den man sein Hab & Gut reinpacken und sich damit den Rucksack sparen kann. Einen solchen Pulka habe ich nach wochenlanger Jagd am Gebrauchtmarkt ergattert und schon sehnsüchtig darauf gewartet ihn endlich auszuführen.

Bernadette Pree

Hier gehts los: Finse auf 1222,2 m über’m Meer. Der Zug kraxelt in nur 2 Stunden von Bergen auf Meeresniveau auf das Hochplateau.

Ausgangspunkt ist Finse, auf 1222,2 m gelegen, beliebter Startpunkt für Touren jeglicher Art (Langlaufen, Fjellskitouren und auch Radfahren im Sommer, entlang dem berühmten Rallarvegen). Zusammen mit einigen anderen manövrieren wir den Pulka, Ski, Stöcke, Rucksäcke und Packsack aus dem Zug raus um uns am Bahnsteig startklar für die bevorstehende Tour zu machen. Anstatt eines Tragesystems “von der Stange” haben wir uns für eine selbstgemachte Konstruktion aus 8m Seil, 2 PVC Rohren aus dem Baumarkt, Karabinern und einem alten Klettergurt entschieden. Hinsichtlich des Tragesystems gibt es ausführliche Beiträge und Diskussionen online, sogar über das Wort Pulkology bin ich gestolpert. Wir aber setzen auf die einfachste Variante und befestigen die Seile, welche mit den PVC Rohren versteift sind, seitlich am Hüftgurt. Das Gepäck, ca. 35 kg, verteilen wir gleichmäßig im Pulka und schnallen es mit Gummiexpandern fest.

Bernadette Pree

Noch etwas unbedarft am Bahnsteig in Finse basteln wir das Tragesystem für den Pulka zusammen.

Bernadette Pree

Beim Packen vom Pulka ist Hirn gefragt: am besten großes Gewicht unten und auf beiden Seiten gleichmäßig verteilt packen. Mit Expander alles ordentlich festschnallen, hilfreich sind dabei die Seilzüge entlang von den Seitenkanten vom Pulk.

Unsere Recherchen was das Wachsen der Skier betrifft, haben sich sehr in Grenzen gehalten, und wir vertrauen völlig darauf, dass wir mit den Schichten, die bereits aufgetragen sind und mit den Fellen gut auskommen werden. Der Erfinder von Swix Blå (DEM Skiwachs hier in Skandinavien) würde sich wohl im Grabe umdrehen, und jeder Norweger die Hände überm Kopf zusammenschlagen: Weil ohne Wachs mit Fjellski in der Hardangervidda, das kommt dem Klischee vom Alpen-Touristen mit Halbschuhen auf 3000m schon recht nahe!

Bernadette Pree

Es zehrt an den Kräften!!

Die Tour, insgesamt ca. 50 km für die kommenden 3 Tage, führt von Finse zuerst in Richtung Krækkjahytte weiter über Tuva Hütte nach Ustaoset (Karte und Höhenprofil). Mit Zelt sind wir aber unabhängig und können selber entscheiden wie weit wir an einem Tag gehen wollen und wo wir unser Lager aufschlagen. Außerdem haben wir auch noch wenig Ahnung davon, wie viel wir schaffen können. Vor allem in der Konstellation Fjellski, Pulka und Wetter, das zum Verweilen einlädt.

Tag 1: Der Plan ist es, soweit wie möglich zu Krækkjahytte zu kommen, welche 28 km und einige wenige hundert Höhenmetern (ca. 300-400hm) von Finse entfernt liegt. Voll motiviert, aber im Schneckentempo, ziehen wir über den ersten See in Finse und immer in Sichtweite vom Hardangerjøkul, dem Gletscher auf der Vidda. Nach 5km sind wir am namenlosen höchsten Punkt der Tour auf 1400 m angekommen. Die Ski haften gut, der Pulka ist schwer und alle sind zufrieden. In Norwegen sind bereits Osterferien und wir sind bei Weitem nicht die einzigen, die diese Idee hatten. Immer wieder ziehen Gruppen von Freunden oder Familien an uns vorbei (mit und ohne Pulka). Norweger sind nicht besonders für ihre Plauderlaune bekannt, aber heute scherzen sie mit uns, informieren sich über unsere Tourenpläne und sogar das Tragesystem vom Pulka findet mehrfach Anerkennung.

Bernadette Pree

In der weißen Einöde gibt es jede Menge Tierspuren, hier war eine Snømus (Schneemaus, Mauswiesel) unterwegs.

Bernadette Pree

Der steilste Anstieg des Tages steht bevor. Mit Pulka stellen 25 Grad Steigung schon ein fast unüberwindbares Hindernis dar.

So ziehen wir noch ein paar Stunden weiter, über zahlreiche gefrorene Seen, spekulieren über die Tierspuren und versuchen immer wieder auf der Karte und im Gelände Orientierungspunkte zu finden. Der Weg ist gut mit Stöcken markiert und es sind viele Spuren vorhanden. Trotzdem, oder gerade deswegen, fällt es schwer, sich mit der Karte zu orientieren. Die gesamte Landschaft ist sehr gleichförmig, durchgehend flach und es gibt so viele Seen, dass es uns schwer fällt, zu wissen an welchem wir uns gerade befinden. Wir beschließen nach 9 Stunden und von uns geschätzten 15 km unser Zelt aufzuschlagen.

Bernadette Pree

Der erste Tag neigt sich dem Ende zu und genau so meine Kräfte!

Umzingelt von Schneeziegeln und bei ca. -7 ºC begleitet mich ein Gedanke in den Schlaf: Wie kann es sein, dass wir nicht einmal 2 km pro Stunde zurück gelegt haben. Ein bestätigender Blick auf die Karte gibt mir recht. Weder Wind, schlechte Schneebedingungen oder Probleme mit der Ausrüstung können als Erklärung richtig herhalten. Ich stelle aber auch fest, wie unwichtig das eigentlich ist. Wichtiger ist, dass ich mich schon auf den nächsten Tag freue, an dem wir losziehen und schauen, wie weit und wohin wir mit unserer eigenen Kraft in dieser Schneewüste kommen. Verglichen zum Skitourengehen, wo Gipfel und Abfahrten sehr im Vordergrund stehen, ist auf Fjellskitour einfach das Erlebnis dieser Landschaft, das friedliche Dahinziehen mit Sack und Pack und ein tiefes Zufriedensein mit dem was man gerade macht im Fokus. Der Weg ist das Ziel… im wahrsten Sinne des Wortes!

Bernadette Pree

Am Drageidfjorden lässt sich gut zelten!

Bernadette Pree

Schneeblöcke schützen vor dem niemals endenden Wind in der Hardangervidda.

Tag 2: Schichtwechsel beim Pulkaziehen und eine Überraschung steht bevor. Nach einem langsamen Start, weil wer kriecht schon gerne bei Minusgraden aus dem warmen Schlafsack raus, erreichen wir nach ca. 10 Minuten Krækkjahytte! Anstatt von 15 km waren es doch 28 und irgendwie macht die Karte jetzt noch mehr Sinn. Die Landschaft in Kombination mit wenig Erfahrung was das Tempo von Fjellskitouren betrifft, haben wir uns ordentlich verhaut, und es besteht wenig Hoffnung, dass es im weiteren östlichen und flacheren Teil der Vidda einfacher wird.

Bernadette Pree

Krækkjahytte am See Storkrækkja, ein wichtiger Einkehrpunkt für viele Tourengeher.

Wir halten uns nur kurz bei der Hütte auf, um Wasser aufzufüllen und ziehen weiter in Richtung Osten. Die Sonne scheint vorerst noch, aber schon nach 6 km zieht es, wie vom Wetterbericht vorhergesagt, zu und der Wind wird zunehmend stärker. Und noch dazu pfeift er uns direkt ins Gesicht. In Kombination mit dem späteren Schneefall wird es dann richtig ungemütlich und wir schnallen die Fjellski ab und bauen uns wieder eine Schutzmauer für unser Zelt. Den Tag lassen wir dann mit Kochen im Vorzelt und Trocknen von nassen Handschuhen ausklingen.

Bernadette Pree

Tag 2: Schichtwechsel mit der Pulka und für einige Stunden verschont uns der Wind.

Bernadette Pree

Wie Karawanen in der Wüste, ziehen Fjellski-Tourengeher über die Hardangervidda.

Tag 3: Zum Glück hat sich der Wind gelegt, als wir am nächsten Tag aufwachen. Immerhin müssen wir heute irgendwie unseren Zug um 19 Uhr in Ustaoset erwischen und Gegenwind ist uns da keine Hilfe. Wir entscheiden uns nicht direkt nach Ustaoset zu gehen, sondern legen einen kleinen Umweg über Ustetind und Tindevannet ein. Die Landschaft ist auf der dieser Etappe flacher als auf den vorigen beiden und kilometerweit breitet sich eine flache, schneebedeckte Ebene aus. Hinter uns, liegen die Erhebungen der Hardangervidda und vor uns taucht immer mehr das Tal östlich des Hochplateaus auf und wir sehen wieder Vegetation, Steine und Häuser. Der Blick nach hinten, auf Pulka und die weiße Wüste gefällt mir viel besser, trotz der Monotonie, aber wohl wegen der Unendlichkeit und der Ruhe, die sie ausstrahlt.

Bernadette Pree

Tag 3: Blick zurück, wo sich die Hardangervidda ausbreitet.

Bernadette Pree

Ustaoset mit seinen unzähligen Hütten ist Ziel unserer Tour und scheint so nahe zu liegen!

Bis jetzt haben wir den Pulka nur über kurze, wenig steile Stücke bergab manövrieren müssen. Das ändert sich im letzten Stück der Tour, wenn wir ca. 200 hm nach Ustaoset absteigen müssen. Die Ski, dank Verzicht auf adäquates Wachs, stollen mit Schnee an und der Pulka überholt mich beim Bergabfahren, überschlägt sich und bremst mich rapide ab, sodass es mich ebenso unsanft im Schnee platziert. Beim Umdrehen vom Pulka, fährt er natürlich sofort wieder los (weil keine Bremsen) und das ganze geht von vorne los. Das geht dann noch ein paar mal so weiter, und wir probieren unterschiedliche Strategien aus wie z.B. den Pulka vor mir zu haben und mich ziehen zu lassen, oder einfach den umgekippten Pulka langsam hinten nach zu ziehen. Am besten klappt es, den Pulka zu zweit, einer hinten und einer vorne, mit einem zusätzlichen Seil zu bremsen und zu steuern. Allerdings stellt das Skifahren mit Fjellski mit der losen Ferse und Lederschuhen alleine schon eine gewisse Herausforderung dar und so sind wir bergab gar nicht so viel schneller als bergauf.

Bernadette Pree

Der Pulk entpuppt sich als störrisches, ungezähmtes Unding am Weg nach unten.

Nach einer ausgiebigen Pause, packen wir die letzten Kilometer auf der Langlaufloipe alles zusammen und schaffen es noch rechtzeitig zu unserem Zug. Ziemlich zufrieden und auch ausgelaugt lasse ich die Landschaft vom Zug aus an mir vorbeigleiten und schmiede schon Pläne für weitere Touren.

Hier nochmal ein Video, welches die Stimmung auf dieser Tour einfängt.

Takk for turen!

Hinterlasse eine Antwort


× eins = 9